Handball: Mit dem Bus zur Jubiläums-WM

Der Physiotherapeut Peter Gräschus ist zum 10. Mal für die deutsche Nationalmannschaft im Einsatz

Sein Arbeitsutensil, fünf T-Shirts, fünf Turnhosen, fünf Unterhosen, Socken und drei Paar Turnschuhe. „Ein Paar für die Halle, eins zum Mittagessen gehen und eins zum Joggen“, erläutert Peter Gräschus – das ist hauptsächlich das Gepäck, das der Mössinger Physiotherapeut für den im Optimalfall etwas mehr als zwei Wochen dauernden Aufenthalt in Frankreich mitnimmt.

11.01.2017

Von Tobias Zug

Ab Freitag singt Peter Gräschus (Zweiter von links) mit Nationaltrainer Dagur Sigurdsson (Zweiter von rechts) und der deutschen Handball-Nationalmannschaft wieder „Blüh im Glanze dieses Glückes“. Archivbild: Ulmer

Ab Freitag singt Peter Gräschus (Zweiter von links) mit Nationaltrainer Dagur Sigurdsson (Zweiter von rechts) und der deutschen Handball-Nationalmannschaft wieder „Blüh im Glanze dieses Glückes“. Archivbild: Ulmer

„Ich brauche nicht viel“, sagt Gräschus. Denn der Alltag des Physiotherapeuten bei einer Handball-Weltmeisterschaft lässt sowieso nicht viel mehr zu als Spiel, Essen, Spieler behandeln und Schlafen. „Bei einer WM arbeiten wir manchmal nachts bis ein Uhr“, sagt Gräschus.

Der 53-Jährige muss es wissen, denn die anstehende Weltmeisterschaft in Frankreich ist die zehnte, bei der er als Physiotherapeut für den Deutschen Handball-Bund (DHB) im Einsatz ist. Routine ist die Großveranstaltung für ihn daher „insoweit, dass ich nicht nervös bin“, sagt Gräschus, „aber es gibt immer wieder neue Verletzungen, die Arbeit beginnt immer bei Null, man sollte immer versuchen, da hochkonzentriert zu sein. Deshalb darf da keine Routine reinkommen.“

„Sind eigentlich zu viele Spiele“

In der Sportschule Kaiserau bei Kamen bereitete sich die Nationalmannschaft mit dem Mediziner-Stab um Gräschus auf die WM vor, am Montag besiegte sie im abschließenden Testspiel Österreich mit 33:16, heute fahren sie die etwa 650 Kilometer nach Rouen in ihr Quartier und Spielort ihrer Vorrundenspiele. Mit dem Bus. Gräschus: „Das ist nicht so wie bei der Fußball-Nationalmannschaft, die mit dem Charterflugzeug anreist.“ Die Reisebus-Variante ist allerdings auch dem Umstand geschuldet, dass es keine geschickten Flugverbindungen gibt in die Hafenstadt im Norden Frankreichs.

1993 in Schweden war Gräschus erstmals bei einer WM dabei. Über den damaligen Mannschaftsarzt Berthold Hallmaier aus Rottenburg kam Gräschus zum DHB. Bundestrainer war damals Armin Emrich. Ihm folgten Arno Ehret, Heiner Brand, Martin Heuberger und Dagur Sigurdsson, der nach dieser WM sein Amt abgeben wird. Immer dabei: Peter Gräschus. „Bei allen Trainern wurden wir Physiotherapeuten immer sehr intensiv eingebunden in die Arbeit“, sagt Gräschus, „auch Dagur hört sehr gut auf uns, ob Spieler vielleicht müde sind, ob man sie lieber raus nimmt oder drin lässt.“

Geändert habe sich in all den Jahren die Einstellung der Spieler, sagt der Mössinger: „Die leben heute viel professioneller, denken selber an Ernährung und Regeneration, trinken eigentlich keinen Alkohol während der Vorbereitungszeit.“ Grund: „Die Leistungsdichte ist größer geworden, die Spiele sind unglaublich dynamischer geworden. Wenn man sich ein Spiel von 2007, als wir Weltmeister wurden, heute anschaut – das ist ein anderes Handballspiel als heute.“ Wenn alle so bewusst leben und trainieren, sollte der Medizin-Stab eigentlich weniger Arbeit haben – dem sei aber nicht so, sagt Gräschus: „Der Körper wird deutlich mehr beansprucht, weil die Spiele auch körperbetonter sind.“

Und bei einer WM wird den Spielern kaum Zeit zur Regeneration gegeben: Sollten es die Deutschen bis ins Finale oder Spiel um Platz 3 schafft, sind es neun Spiele in 16 Tagen. „Das sind eigentlich zu viele im Leistungssport“, sagt Gräschus, „man sieht es auch, dass hinten raus das Niveau nachlässt.“

Für Gräschus, der mit Co-Trainer Axel Kromer einen Mössinger „Landsmann“ in der DHB-Crew hat, beginnt der gewöhnliche WM-Arbeitstag schon vor dem Frühstück gegen 7 Uhr. Da geht er nämlich joggen. „Das ist ganz wichtig, dass man sich selber fit hält und wohl fühlt“, sagt er, „denn man kann nur Energie weiter geben, wenn man selber Energie hat.“