Der Schamane und die Schlange

Der Schamane und die Schlange

Abenteuerfilm um einen Schamanen vom Amazonas, der westliche Forscher ins Herz der Finsternis führt.

11.03.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Der Schamane und die Schlange

Eine der drei Hauptfiguren im Eröffnungsfilm des Cine Latino hat auch Tübinger Wurzeln. Theodor Koch-Grünberg verbrachte in den 1890-er Jahren einige Zeit in hiesigen Studierstübchen, ehe er zu ausgedehnten Forschungsreisen ins Amazonas-Gebiet aufbrach.

Eingangs des Oscar-nominierten Spielfilms von Ciro Guerra, der sich von Kochs Schriften inspirieren ließ, landet der Feldforscher von schwerer Krankheit gezeichnet am Ufer eines Flusses fernab der Zivilisation. Dort erhofft er sich Hilfe vom weithin bekannten Schamanen eines schon größtenteils ausgerotteten Indianerstammes. Obwohl dieser Karamakate auf die Weißen nicht gut zu sprechen ist, beeindruckt ihn die ehrliche Wissbegierde des Deutschen, und er erklärt sich bereit, ihn bei der Suche nach einer obskuren Heilpflanze, die irgendwo im Dschungel wachsen soll, zu begleiten.  

Ehe das Abenteuer beginnt, blendet der Film 40 Jahre nach vorne, und der inzwischen alt und vergesslich gewordene Karamakate bekommt ein zweites Mal Besuch von einem westlichen Wissenschaftler, diesmal dem Amerikaner Richard Evans, der Kochs Aufzeichnungen verifizieren möchte. Erneut brechen Schamane und Forscher in den Urwald auf.  

Mit großer Kunstfertigkeit verschränkt der kolumbianische Regisseur die beiden Expeditionen zu einem phasenweise halluzinatorischen Trip, auf dem der Untergang der indigenen Kultur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert Revue passiert. Auf zwei Zeitebenen erleben die Reisenden kolonialen Raubbau und die brutale Unterjochung der Ureinwohner, werden aber auch Zeugen magischer Rituale und einer im Einklang mit der Natur stehenden Lebensweise. Die eindrücklichste Sequenz führt in eine katholische Mission, wo Indianerkinder mit Gewalt entwurzelt und misshandelt werden – was sich 40 Jahre später, als die Geistlichen längst verschwunden sind, in einem nicht minder barbarischen Sektenregime niederschlägt.

Bei aller Sympathie für die Kultur der Naturvölker erweist der Film aber auch modernem Forschungsdrang seinen Respekt – sofern er nicht auf Ausbeutung und Zerstörung aus ist. Somit zielt dieser majestätisch bebilderte Schwarz-weiß-Film auch ein bisschen in die Gegenwart. Wenn sich überliefertes Wissen und Fortschritt auf gleicher Augenhöhe begegnen, gibt es vielleicht noch Hoffnung für die Menschheit.

Halb bodenständiger, halb surrealer Trip in die untergegangene Welt des alten Amazoniens.

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Erstellt:
11.03.2017, 22:11 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 05sec
zuletzt aktualisiert: 11.03.2017, 22:11 Uhr

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