Freudenstadt · Literatur

Der Schwarzwald ist für sie ein Kraftort

Die Schriftstellerin Beate Rygiert aus Forbach porträtiert mit ihrem Werk starke Frauen und bedient dabei unterschiedliche Genres. Kürzlich las sie in Freudenstadt aus „Die Pianistin“.

22.09.2020

Von Gerhard Keck

Der Schwarzwald ist für sie ein Kraftort

Die Autorin Beate Rygiert und ihr Mann Daniel Oliver Bachmann waren kürzlich in der Freudenstädter Thalia-Buchhandlung mit einer Lesung zu Gast. (Wir berichteten.) Nun befragte die SÜDWEST PRESSE die produktive und vielseitig interessierte Schriftstellerin zu ihrem Leben und zu dem, was ihr wichtig ist.

SÜDWEST PRESSE: Frau Rygiert, Sie haben kürzlich in Freudenstadt aus Ihrem neuesten Buch „Die Pianistin“ gelesen. Coronabedingt war das Publikum sehr überschaubar. Sie sind Auftritte in viel größerem Rahmen gewohnt. Was empfinden Sie angesichts der gegenwärtigen Situation, bezogen auf sich selbst und die Kultur im Gesamten?

Beate Rygiert: Wie alle bin auch ich natürlich sehr traurig über die Situation. Vor allem darüber, dass es so schwierig geworden ist, sich über Kunst und Kultur auszutauschen. In meinem täglichen Leben hat sich nicht viel geändert. Ich bin sozusagen immer im Home Office und die äußerliche Ruhe, die der Lockdown im Frühjahr mit sich brachte, kam meinem Schreiben zugute. Natürlich bewegen uns die Fragen, die dieses Virus aufwirft tagtäglich sowie der Umgang mit der Situation. Aber ich bin niemand, der sich damit begnügt, über Gegebenheiten zu jammern.

Im Gegenteil versuche ich immer das Beste im Rahmen der Möglichkeiten aus den Umständen zu machen. Und dazu gehörte auch gemeinsam mit Gudrun Krüper die Lesung in Freudenstadt trotz allem durchzuführen. Die Freude darüber, dass endlich einmal wieder etwas stattfinden kann, war dem Publikum deutlich anzumerken.

Ihr beeindruckendes Portfolio mit seiner Fülle an Publikationen und Auszeichnungen weist Sie aus als eine Persönlichkeit, die fest in verschiedenen Sätteln sitzt. Wo liegt derzeit Ihr Schaffensschwerpunkt?

Mein Schwerpunkt liegt im Augenblick im Schreiben von Romanen. Und zwar publiziere ich unter meinem Namen und unter dem Pseudonym Tabea Bach. Das gibt mir die Möglichkeit, auf verschiedenen Klaviatur des Romanschreibens zu spielen und somit mehrere literarische Genres zu bedienen.

Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Regisseurin. Ihre Berufe haben Sie rund um die Welt geführt. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?

Das ist eine sehr interessante Frage. Zum einen die Erkenntnis, dass sich die Menschen überall auf der Welt, egal welche Hautfarbe, Kultur oder Religion sie haben, im Grunde dasselbe wünschen: Frieden, Gesundheit, Zugang zu den wesentlichen Lebensressourcen. Und einen liebevollen Umgang miteinander. Außerdem haben mich diese Reisen zu meinen Wurzeln zurückgeführt. Ich bin im Schwarzwald aufgewachsen, und hier habe ich gemeinsam mit meinem Mann den idealen Ort zum Leben und Arbeiten gefunden.

Ich bin grundsätzlich ein sehr neugieriger Mensch und habe es immer schon geliebt, die verschiedensten Dinge auszuprobieren. Dabei geht es immer darum, Geschichten zu erzählen, sei es auf der Bühne, im Film oder im Buch. Der Roman ist für mich allerdings das Medium, in dem ich meiner Fantasie die größte Freiheit lassen kann. Und die Vorstellungskraft, meine Leser zu stimulieren, empfinde ich als äußerst reizvoll.

Sie setzen sich stark für ein Aids-Hilfsprojekt in Afrika ein. Wie ist dieses Engagement entstanden beziehungsweise begründet?

Auf einer meiner Reisen ist mir dieses Projekt quasi vor die Füße gefallen. Ich hatte immer schon das Bedürfnis, mich für Menschen zu engagieren, die weniger privilegiert aufwachsen mussten als ich hier in Deutschland. Und damals hatte ich das sichere Gefühl, dass ich meinen Wirkungskreis gefunden hatte. Es macht mich sehr zufrieden und glücklich mitzuhelfen, dass es einem Kreis von Menschen gesundheitlich und auch emotional besser geht.

Ihre breite Hochschulausbildung weist Sie auch als Musikwissenschaftlerin aus. Von dieser Kompetenz profitiert wesentlich Ihre Roman-Biografie „Die Pianistin“, mit der Sie Clara Schumann porträtieren. Welchen Appell verknüpfen Sie mit diesem inhaltlich wie formal imposanten Werk?

Appelle liegen mir nicht besonders. Ich möchte meine Leser vielmehr dazu verführen, dem Schicksal eines Menschen nachzugehen, der in seiner Zeit Großes geleistet hat, über den aber auch sehr viele Missverständnisse im Umlauf sind. Denn mich interessiert neben der wissenschaftlichen Seite vor allem immer der Mensch, der hinter einem Namen wie zum Beispiel Clara Schumann steckt.

Wir alle haben unsere Träume, Sehnsüchte und Vorstellung davon, wie unser Leben sein sollte. Genauso ging es Clara Schumann. Die Stärke, mit der sie an ihrer Liebe zu Robert Schumann gegen alle Widerstände festhielt, hat mich fasziniert. Und ihre Tapferkeit, mit der sie diese Ehe dann auch lebte, obwohl sie in vielem nicht ihren Vorstellungen entsprach, hat mich tief beeindruckt.

Gleichzeitig zeigt ihr Schicksal, wie benachteiligt Frauen in der Kunst damals waren – und obwohl sich vieles verändert hat, sind sie es auch heute noch. Vor allem aber ist „Die Pianistin“ für mich das Buch einer beispiellosen Liebe.

Sie haben starke Frauen im Blick, nicht nur in Ihren letzten Büchern „George Sand“ (2019), „Schäfchensommer“ (2020) und eben „Die Pianistin“ (2020). Welche Überzeugung tritt damit zutage?

Diese Beispiele zeigen, wie stark Frauen sind und wie erfinderisch sie sein können, um ihre Bedürfnisse als Frauen zu leben und sich gleichzeitig ihre Träume nicht nehmen zu lassen. Leider werden auch heute noch Frauen häufig unterschätzt.

Ihr Ehemann Daniel Oliver Bachmann ist an Ihren Lesungen öfters beteiligt mit Musik und eigener Literatur. Was bedeutet Ihnen diese künstlerische Partnerschaft?

Mit meinem Mann verbindet mich nicht nur eine tiefe Liebe, wir brennen außerdem für dieselben Dinge. Das Zusammenleben mit einem Künstler oder einer Künstlerin ist nicht immer einfach. Nach Dienstschluss schließt man nicht einfach die Tür zum Büro und lässt die Arbeit hinter sich.

Die Figuren, an denen wir jeweils gerade arbeiten, begleiten uns 24 Stunden, auch in unseren Träumen. Das muss ein Partner erst einmal verstehen und dann auch aushalten können. Da wir beide Schriftsteller sind, ist dieses Verständnis gegeben. Außerdem können wir uns austauschen und gegenseitig beraten. Ohne meinen Mann wäre ich nicht da, wo ich heute stehe.

Was reizt Sie als weitgereiste Autorin und Filmemacherin an Ihrer Wahlheimat Schwarzwald?

Den Schwarzwald empfinde ich als Kraftort, wo ich meine Batterien wieder aufladen kann. Auf meinen täglichen Spaziergängen kann ich mich regenerieren, Ideen entwickeln und meine Figurenkonstellationen und Handlungsstränge durchdenken und gleichzeitig meinen Körper vom vielen Sitzen entspannen. Ich liebe diese Landschaft und habe das Gefühl, dass ich ein Teil von ihr bin.

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