Der Staat gegen Fritz Bauer

Der Staat gegen Fritz Bauer

Der Spielfilm über den legendären Staatsanwalt konzentriert sich auf seine Suche nach dem SS-Schergen Adolf Eichmann.

01.11.2015

Von Klaus-Peter Eichele

Schon wieder ein Film über Fritz Bauer, den legendären Frankfurter Generalstaatsanwalt mit Stuttgarter Wurzeln, der die vergesslichen Deutschen in den 1950-er Jahren mit ihrer Nazi-Vergangenheit konfrontiert hat? Nennen wir den Zweitaufguss von Regisseur Lars Kraume („Die kommenden Tage?) doch lieber freundlich modern ein Prequel, die Vorgeschichte zum Justizdrama „Labyrinth des Schweigens?, das vor einem halben Jahr erstaunlich erfolgreich in den deutschen Kinos gelaufen ist.

Vom Auschwitz-Prozess, dem Thema des „Labyrinths?, ist bei Kraume nur am Rand die Rede. Sein Film konzentriert sich auf das zeitlich vorgelagerte zweite große Projekt Bauers: Adolf Eichmann vor Gericht zu stellen. Der Cheflogistiker des Holocausts lebt nach dem Krieg unbehelligt in Argentinien, gibt dort sogar Interviews, in denen er sich seiner Taten brüstet. Außer Bauer (und einigen wenigen Verbündeten wie dem hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn) scheint aber niemand in Deutschland Interesse daran zu haben, den Massenmörder zur Verantwortung zu ziehen. Die Mehrheit will sich ihre Wirtschaftswunder-Behaglichkeit nicht von solchen ollen Kamellen vermiesen lassen. Und in seiner eigenen, mit alten Nazis durchsetzten Behörde (laut Bauer ist sie „Feindesland?) schlagen dem Ermittler Widerwillen, Obstruktion und teilweise blanker Hass entgegen.

In Bauers Homosexualität glauben seine Gegner schließlich einen Hebel gefunden zu haben, um den Nestbeschmutzer zu Fall zu bringen. Womit das zweite wichtige Thema des Films benannt wäre, die Kriminalisierung von Schwulen. Liebe zwischen Männern gilt im Deutschland der Fünfziger als „widernatürliche Unzucht?, was allerdings weniger der vorsichtige Bauer als sein einziger Vertrauter im Amt, ein (fiktiver) Jungstaatsanwalt (Ronald Zehrfeld), zu spüren bekommt.

Beide Handlungsfäden, die Jagd nach Eichmann, bei der sich Bauer in seiner Not an den israelischen Geheimdienst wendet, und die intrigant instrumentalisierte Diskriminierung von Homosexuellen verknüpft Kraume zu einem spannenden Politthriller, der sich erzählerisch und stilistisch stark an amerikanischen Vorbildern orientiert. Dabei erlaubt sich der Regisseur viele kaum belegbare Ausschmückungen der Historie, was aber die Glaubwürdigkeit der Gesamtgeschichte nicht beeinträchtigt. Dafür bürgt schon Bauer-Darsteller Burghart Klaußner, der bis hin zum schwäbelndem Tonfall vollständig in der Figur aufgeht, und auch manchen problematischen Wesenszug, vor allem das ungestüm aufbrausende Naturell, nicht ausspart. Was natürlich nichts daran ändert, dass dieser Film dem unbeugsamen Kämpfer gegen das Vergessen und Verdrängen ein Denkmal setzt, und zwar ein hochverdientes.

Kluges Geschichts-Entertainment über einen solitären Helden in miefiger Nachkriegszeit.