Der Traum von einem Wiesenstetter Mehrgenerationenhaus

Abends auf der Heimfahrt von seiner Horber Praxis nach Wiesenstetten verflucht Stefan Walz sich manchmal schon, räumt er ein, speziell „auf den letzten hundert Metern an der Nordstetter Steige“. Das Strampeln bergauf hat bei aller Mühe aber auch willkommene Nebenwirkungen: „Es baut auch Frust ab“, betont Herzarzt Stefan Walz. Der 52-Jährige lächelt, als er vor dem Horber Café Reinhardt vom Rad steigt. Er ist überzeugt: „Man muss das Radfahren propagieren.“ Biss zeigen möchte der fünffache Vater ab sofort nicht nur als Berufspendler am Berg, sondern auch im Empfinger Gemeinderat. Im Interview der SÜDWEST PRESSE beantwortet der Ratsneuling Fragen.

SÜDWEST PRESSE: Sie haben rund 1100 Stimmen erhalten bei den Empfinger Gemeinderatswahlen. Haben Sie damit gerechnet?

Dr. Stefan Walz: Ich war natürlich positiv überrascht, das ist doch eine ganze Menge an Stimmen. Vor allem waren sie breit verteilt über Empfingen und Wiesenstetten. Dies hängt wahrscheinlich auch mit meinem Beruf zusammen.

Was war der Anlass für Sie, sich aufstellen zu lassen?

Ein Gespräch nach der Kirche. Bis vor zwei Jahren war der Gemeinderat kein Thema für mich, weil ich noch im Krankenhaus tätig war mit Bereitschaftsdiensten nachts. Jetzt ist das anders. Ich wohne seit 20 Jahren in Wiesenstetten und fühle mich da sehr wohl. Da ich nicht im Musikverein oder der Feuerwehr bin, dachte ich mir, dann könnte ich ja im Gemeinderat etwas bewirken und mitgestalten.

Für welche Themen fühlen Sie sich jetzt in der Verantwortung?

Das Thema der Schließung des Kindergartens in Wiesenstetten hat etwa Emotionen hochkochen lassen. Ich selbst hatte fünf Kinder in diesem Kindergarten, die haben sich alle wohlgefühlt. Letztendlich finde ich aber die Entscheidung, die Nachteile auf sich zu nehmen und zu schließen, nicht schlecht, um neue Möglichkeiten für alle Kinder in Empfingen zu schaffen. Für den neuen Kindergarten ist die Nähe zur Schule vorteilhaft, da sind die Kinder gleich integriert. Und der neue Kindergarten ist eine große Chance, nun Öffnungszeiten in jeglicher Flexibilität anzubieten. Was bringt berufstätigen Eltern heute ein Kindergarten, der nur von acht bis zwölf Uhr geöffnet hat?

Wie soll das Areal des alten Kindergartens genutzt werden?

Ich fände es klasse, wenn ein generationenübergreifendes Wohnprojekt entstehen würde. Ich weiß nicht, ob das in so einem kleinen Ort realisierbar ist. Ich erlebe es aber bei der Arbeit: Die Leute werden immer älter, sitzen alleine daheim. Was sollen sie machen, wenn die Verwandtschaft ausgeflogen, der Arzt nicht vor Ort ist? Ein Wohnprojekt, in dem mehrere Generationen zusammenleben, wäre ein Traum.

Was bewegt die Menschen in Wiesenstetten sonst?

Den Verkehr auf der Hauptstraße empfinden viele als Belastung. Die Bushaltestelle liegt an einem Ende des Orts, das Wohngebiet am anderen Ende. Es ist wichtig, da eine Verbindung herzustellen. Und der Friedhof ist kein Schmuckstück. Dies alles sind Punkte, die die Leute bewegen. Ansonsten sind die meisten sehr zufrieden, weil es einen guten Zusammenhalt gibt. Die Dorfkultur in Wiesenstetten ist intakt. Das empfinde ich auch als Rei’gschmeckter so.