Kreis Freudenstadt · Nationalparkzentrum

Der Wald war das Vorbild und lieferte die Rohstoffe

Eine Dauerausstellung in ungewöhnlicher Architektur will Besucher für die Natur des Schwarzwalds sensibilisieren.

17.10.2020

Von Dunja Bernhard

Die Exponate machen die Natur interaktiv erfahrbar. Bild: Daniel Müller

Die Exponate machen die Natur interaktiv erfahrbar. Bild: Daniel Müller

Die acht langgestreckten, quer aufeinanderliegenden und in den bestehenden Wald eingefügten Gebäuderiegel des Nationalparkzentrums sind Baumstämmen nachempfunden. Das Tragwerk ist aus heimischer Weißtanne und Baubuche. Auf dem Skywalk ist man mit den Baumkronen auf Augenhöhe, vom Turm aus haben die Besucher eine herrliche Aussicht auf den Nationalpark. Die 6500 Quadratmeter Fichteschindeln der Fassade stammen aus den Wäldern des Landesbetriebs ForstBW. Hybridkonstruktionen aus Holz und Stahl sowie Stahlträger unterstützen das Tragwerk, wo besonders hohe Lasten und Spannweiten das erforderlich machen.

Vorbild für den Neubau war der natürliche Wald mit frei liegendem Totholz. Der Entwurf stammt vom Architekturbüro Sturm & Wartzeck aus Dipperz, das Anfang 2015 den Architekturwettbewerb gewann. Die Bauzeit betrug dreieinhalb Jahre.

Über fünf Geschosse entwickelt sich das Nationalparkzentrum das steile Hanggrundstück am Fuße des Ruhesteins hinab. Das Herzstück des neuen Nationalparkzentrums ist die rund 1000Quadratmeter große Dauerausstellung über den Wald, seine Lebensphasen und seine Jahreszeiten. Den Skywalk einberechnet, hat das Nationalparkzentrum eine Nutzfläche von 3200 Quadratmetern.

Tiefe Einblicke in die Natur

Die Dauerausstellung „Eine Spur wilder“ wird fachlich und finanziell von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. Bei der Übergabe hob die Kuratoriumsvorsitzende Rita Schwarzelühr-Sutter hervor: „Das Aussterben von Pflanzen und Tieren, der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt gehören neben dem Klimawandel zu den zentralen Herausforderungen für unsere Gesellschaft und Ökosysteme.“ Die neue Ausstellung ermögliche es den Besucherinnen und Besuchern, tiefere Einblicke in das sensible Gleichgewicht der Natur im Schwarzwald zu erhalten.

Die Süd-Schwarzwälderin sagte, es sei ihr eine riesige Freude gewesen, dass der Nationalpark zustande kam. Bei der Eröffnung habe am Ort des jetzt neu gebauten Zentrums ein Zelt gestanden. „Nicht alle haben gejubelt“, erinnert sie sich. Mit dem Nationalparkzentrum werde nun ein Ort geschaffen, an dem der Schwarzwald begreifbar werde. „Man kann viel erzählen, aber wenn Menschen etwas nicht direkt betrifft, ist die Bereitschaft es zu schützen, schwerer zu erzielen. Dr.Wolfgang Schlund, Leiter des Nationalparks, berichtete von 6500 Arten, die sein Team im Nationalpark bestimmt hat. Bei Käfern, Pilzen, Flechten habe sich die Anzahl der gefundenen Arten seit Beginn der Forschung verdoppelt. Sie seien vorher schon in dem Schutzgebiet gewesen, aber jetzt eben auch nachgewiesen. Darunter seien einige Besonderheiten, die in dem mageren Buntsandsteingebiet lebten.

Er wies aber auch auf das weltweite Artensterben hin, dass es in diesem Ausmaß seit dem Aussterben der Dinosaurier nicht mehr gegeben habe. „Wir müssen nicht nur auf die Bremse drücken, sondern umzudenken“, forderte er. Der Schutz von Lebensräumen sei auch Schutz vor Corona. Das Virus könnte von Tieren übertragen worden sein. Mensch und Tier rückten immer enger zusammen. Die Verzahnung Mensch und Tier werde immer schwieriger. Es sei wichtig, wieder mehr Räume für Wildtiere zu schaffen, so Schlund.

Die Dauerausstellung zeige den Wald als Ökosystem, wenn er sich entwickeln darf, wie er möchte, und mit all seinen Zusammenhängen: Zeit, Kommunikation, Stoffflüsse. „Das hat auch etwas
Wissenschaftliches.“ Sie gewährt auch einen Blick unter die Erde, wie das Miteinander der Wurzeln und Pilze aussieht. „Man geht rein und bekommt Gänsehaut“, schwärmte Schlund.

Schwarzelühr-Sutter wies darauf hin, dass Jugendliche bei der Konzeption mitgeholfen haben sowie das Büro Kunstraum. Die Ausstellung vermittle interaktiv und spielerisch Wissen. „Die Ausstellung ist die Software, das Gebäude ist die Hardware.“ Sie hofft auf einen Aha-Effekt, dass es mehr braucht, als einen Baum zu pflanzen. Jeder müsse sich auch die Frage stellen: „Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um?“ Sie strebt einen Austausch mit anderen Nationalparks in der ganzen Welt an.

Das Zentrum kostet alles in allem 50 Millionen Euro

Die Investitionen im Zusammenhang mit dem Neubau des Nationalparkzentrums belaufen sich insgesamt auf rund 50 Millionen Euro. Darin enthalten sind die Baukosten des Nationalparkzentrums Ruhestein von rund 35,5 Millionen Euro sowie rund 2Millionen Euro für das Nationalpark-Haus in Forbach-Herrenwies und eine Risikovorsorge von insgesamt 3,43 Millionen Euro. Weiter sind die Dauerausstellung, der Ausbau der öffentlichen Erschließung und die Herstellung neuer Parkplätze am Ruhestein enthalten.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert die Dauerausstellung mit rund einer Million Euro.

Das verbaute Holz stammt zu 84 Prozent von heimischer Weißtanne sowie von Fichten und Buchen.

Alaskazeder kam bei einem tragendem Stamm zum Einsatz.

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Erstellt:
17.10.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 20sec
zuletzt aktualisiert: 17.10.2020, 01:00 Uhr

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