Michael Ballhaus ist im Alter von 81 Jahren gestorben

Der Zauberer mit der Kamera

Ein Deutscher, der in Hollywood Filmgeschichte schrieb: Michael Ballhaus ist im Alter von 81 Jahren gestorben.

13.04.2017

Von DPA

Den Goldenen Ehrenbären der Berliner Filmfestspiele erhielt Michael Ballhaus noch im vergangenen Jahr. Foto: dpa

Den Goldenen Ehrenbären der Berliner Filmfestspiele erhielt Michael Ballhaus noch im vergangenen Jahr. Foto: dpa

Berlin. Es war ein berührender Augenblick: Da stand Michael Ballhaus, einer der berühmtesten und meistgefragten Kamerakünstler der Welt, mit Tränen in den Augen auf der Bühne und sagte leise: „Ich bin ja nur ein Kameramann. Und außerdem habe ich furchtbare Angst, vor Leuten zu reden.“

Das war im Februar 2016. Die Berlinale hatte dem Gestalter von Meisterwerken wie „Good Fellas“ und „Gangs of New York“ gerade den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk überreicht. Fast erblindet wegen des Grünen Stars, war die Auszeichnung in seiner Heimatstadt für den gebürtigen Berliner nochmals eine besondere Liebeserklärung. Dort ist Ballhaus in der Nacht auf Mittwoch mit 81 Jahren gestorben.

Drei Oscar-Nominierungen

Mit seiner 360-Grad-Kamerafahrt hatte er Filmgeschichte geschrieben, in Hollywood gehörte er zu den ganz wenigen Deutschen, die in der Spitzenliga spielten. 25 Jahre lang arbeitete Ballhaus in den USA mit den wichtigsten Regisseuren zusammen, allein sieben Filme entstanden aus der beispiellosen künstlerischen Beziehung mit US-Starregisseur Martin Scorsese. Vom ersten gemeinsamen Low-Budget-Film „After Hours“ (1985) bis zum 100 Millionen Dollar teuren Abschiedswerk „Departed“ (2006) mit Leonardo DiCaprio und Jack Nicholson entwickelte das Duo eine eigene Bildsprache, die innovativ mit Licht, Raum und Bewegung arbeitete.

Scorseses Bandenepos „Gangs of New York“ trug ihm 2002 seine dritte Oscar-Nominierung ein – nach James L. Brooks? Komödie „Nachrichtenfieber“ (1987) und Steven Kloves? Nachtclubfilm „Die fabelhaften Baker Boys“ (1989). Wie dort Michelle Pfeiffer im roten Glitzerkleid lasziv auf einem schwarzen Flügel liegt, während die Kamera sie in einem einzigen großen Bogen umfährt – das wurde als „Ballhaus-Kreisel“ zu seinem Markenzeichen.

Entdeckt hat er die Liebe zum bewegten Bild schon als 18-Jähriger. 1935 in Berlin geboren und in der Theaterkommune seiner Schauspieler-Eltern im fränkischen Coburg aufgewachsen, hatte er damals Max Ophüls beim Dreh für „Lola Montez“ zuschauen dürfen. Ihn faszinierte besonders die „schwebende und kreisende Kamera, das magische Licht“, – das, was später seine eigene Arbeit so besonders machen sollte.

Nach einem Start beim Südwestfunk-Fernsehen in Baden-Baden lernte er bald den jungen Rainer Werner Fassbinder kennen. Mit dem ebenso genialen wie exzentrischen Regisseur avancierte er in den 70er Jahren zum Vorzeige-Duo des Neuen Deutschen Films. Fünfzehn Filme machen die beiden zusammen, darunter Meisterwerke wie „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972) und „Die Ehe der Maria Braun“ (1979). Nach vielen Reibereien kommt es bei der Romanverfilmung „Berlin Alexanderplatz“ 1980 zum Bruch – Ballhaus und seine Frau Helga halten es mit dem „Koks-Monster“, wie er in seinen Memoiren schreibt, nicht mehr aus.

Seine Frau, Mutter der beiden Söhne, bleibt auch nach dem späteren Umzug in die USA die wichtigste Begleiterin. Als sie 2006 nach fast 50 Jahren Ehe völlig unerwartet innerhalb von fünf Stunden an Krebs stirbt, kehrt Ballhaus ins heimatliche Berlin zurück. Seine Frau lässt er hier begraben. 2011 heiratet er die um 25 Jahre jüngere Regisseurin Sherry Hormann, für deren Film „3096 Tage“ er ein letztes Mal hinter die Kamera tritt. Das klaustrophobische Drama, die Leidensgeschichte der acht Jahre in einem Kellerverlies gehaltenen Natascha Kampusch in Österreich, stieß auf ein eher geteiltes Echo.

„Bilder im Kopf“

2014 veröffentlichte Michael Ballhaus seine zusammen mit Claudius Seidl verfassten Erinnerungen „Bilder im Kopf“ (DVA). Dass ausgerechnet er, für den zeitlebens die Augen das wichtigste Werkzeug waren, zunehmend erblindete, machte ihn traurig, aber nicht bitter. Denn die Bilder hatte er im Kopf. Nada Weigelt, dpa