Zum letzten Mal geschleudert

Der einzige Tübinger Waschsalon ist geschlossen / Viele wissen nicht, wo sie jetzt waschen sollen

Warum gilt es als selbstverständlich, dass jeder seine eigene Waschmaschine daheim stehen hat“, fragt Reiner Matheis. Er war Stammkunde im „Wash & Chat“ („Waschen und Plaudern“) in der Mühlstraße, dem letzten Waschsalon in Tübingen. Doch dieser hat am vergangenen Mittwoch zu gemacht. Für immer.

28.12.2016

Von Philipp Koebnik

So wie der Mann, der sich in der Maschine rechts spiegelt, nutzten viele Kunden die Zeit im Waschsalon zur Lektüre eines guten Buchs. Bild: Koebnik

So wie der Mann, der sich in der Maschine rechts spiegelt, nutzten viele Kunden die Zeit im Waschsalon zur Lektüre eines guten Buchs. Bild: Koebnik

Wir sprachen am letzten Waschtag mit Kunden, von denen manche ob der Nachricht von der Schließung aus allen Wolken fielen.

Gleich fünf Maschinen hat Sean Cummins mit Dreckwäsche gefüllt. „Sehr schade, dass er schließt. Das war meine letzte Möglichkeit“, sagt der US-Amerikaner. Seit nunmehr 13 Jahren lebt der 34-Jährige in Deutschland. Er ist Historiker und Doktorand. „In den USA sind Waschsalons Standard auf dem Campus“, berichtet er.

Freunde als letzte Option

Der Obst- und Gemüsehändler Matheis wohnt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Altstadt. Eine Waschmaschine hat er nicht. Er will zudem die Wäsche aus Angst vor Schimmel nicht in der Wohnung trocknen lassen. Nun werde er sich aber wohl einen Waschtrockner kaufen – „von dem Geld wäre ich lieber in Urlaub gefahren.“

Er hat ein dickes Buch dabei. Oft erledigte er auch Dinge in der Stadt, während seine Kleidung in der Maschine ihre Runden drehte, erzählt der 46-Jährige beim Zusammenlegen der Wäsche, die frisch aus dem Trockner kommt. In den Salon sei er immer gerne gekommen. Immerhin war er keine 500 Meter von seiner Wohnung entfernt. Bevor er dort einzog, nutzte er eine Waschmaschine mit Münzeinwurf in dem Mietshaus, in dem er wohnte.

„Ich bin jede Woche hier“, sagt Masashi Yasumoto auf Englisch. Seit zehn Monaten lebt der Mathematik-Postdoktorand in Tübingen. Auch er hat in seiner kleinen Wohnung keine Möglichkeit zum Waschen. Er ist überrascht: „Ich wusste gar nicht, dass der Salon schließt.“ Er werde nun Freunde fragen, ob er seine Kleidung bei ihnen waschen kann. „Falls das nicht geht, habe ich keine Ahnung, was ich tun soll“, sagt der 29-Jährige etwas geknickt.

Seit 15 Jahren gehörte ein arbeitsloser IT-Fachmann aus der Südstadt zur Stammkundschaft. Der Mittvierziger will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. „Ich muss jetzt nach Alternativen suchen“, sagt er.

„Es wäre schön, wenn es bald einen neuen Waschsalon gäbe“, sagt ein 27-jähriger Philosophie-Student. In seiner Zweier-WG kann er keine Maschine anschließen. Manchmal wäscht er bei Freunden, aber oft auch im Salon. „Mittags war es oft richtig voll, sodass man auch schon mal warten musste, weil alle Maschinen belegt waren.“

17 Jahre hatten Christiane und Ertugrul Cön den Salon betrieben. Weil sie derzeit nach Köln umziehen, haben sie sich dazu entschlossen, ihn aufzugeben. Den Salon von Köln aus zu leiten, wäre zu kompliziert, sagt Christiane Cön. „Eine Uni-Stadt braucht einen Waschsalon“, findet Katharina Ruoff von der Tübinger Wirtschaftsförderungsgesellschaft WIT. Dort hat man wohl zu spät von der Entwicklung erfahren. Die Inhaber hatten sich an die WIT gewandt mit dem Ziel, den Salon weiterbetreiben zu lassen oder zumindest einen neuen Ort für die Waschmaschinen und Trockner zu finden. Doch daraus wurde nichts. Alle Maschinen würden nun entsorgt, so Cön. Sie kritisiert, dass sich niemand von der WIT bei ihr gemeldet habe. Sie ist sich sicher: Die Schließung und Entsorgung der Maschinen wäre vermeidbar gewesen.