Dübel-König und Wohltäter

Der große Erfinder Artur Fischer starb am Mittwoch mit 96 Jahren

„Jede Erfindung muss dem Menschen dienen“: Das war das Lebensmotto von Professor Artur Fischer. Aus einer kleinen Werkstatt hat er ein Weltunternehmen gegründet. Mit seinen Erfindungen hat er nicht nur die Industriewelt revolutioniert, sondern auch Kinderherzen beglückt. Seiner Heimat ist er dabei stets treu geblieben. Jetzt ist das Erfinder-Genie am Mittwoch im Alter von 96 Jahren im Kreise seiner Familie gestorben.

29.01.2016

Von Dagmar Stepper

Tumlingen. Professor Fischer wurde er ehrfürchtig genannt. Sein Erfindergeist war legendär. Über 1100 Erfindungen hat Artur Fischer im Laufe seines Lebens angemeldet. Mit 570 Patenten allein in Deutschland zählte er zu den einflussreichsten Innovatoren des Landes. In die Wiege wurde es ihm nicht unbedingt gelegt. Am 31. Dezember 1919 wurde er in Tumlingen als Sohn eines Schneiders geboren. „Geld war bei uns nie im Haus“, erzählte Artur Fischer einst über seine Kindheit, „aber arm waren wir trotzdem nicht.“ Bereits als Schulbub richtete er sich ein kleine Werkstatt ein und versuchte sich an ersten Experimenten. In den 1930er-Jahren absolvierte er eine Schlosserlehre in Stuttgart. Im Zweiten Weltkrieg diente er bei der Luftwaffe, geriet in englische Gefangenschaft. 1946 konnte er endlich wieder in sein geliebtes Tumlingen.

Hier richtete er sich nun sein Leben ein: 1947 heiratete er Rita Gonser aus dem benachbarten Lützenhardt. Ein Jahr später gründete er in Hörschweiler einen Ein-Mann-Werkstattsbetrieb. Mit Webstuhlschaltern und elektrischen Glühzündern – Streichhölzer waren damals Mangelware – ging er bei den Bauern hausieren. Als Gegenleistung gab es meist Brot, Butter und Speck, die Artur Fischer wiederum gegen neues Werkzeug eintauschte. Es ging stetig voran. Der Wille, etwas zu schaffen, war die treibende Kraft von Fischer.

Fischer bewahrte sich das Kinde im Manne

Der Durchbruch kam mit dem ersten Patent: dem Synchronblitzgerät. Es zeigt exemplarisch, wie Fischer zu seinen Erfindungen kam. Die Eltern wollten ihr erstes Kind Margot fotografieren lassen. Doch die Fotografin weigerte sich, in der Mansardenwohnung mit dem herkömmlichen Magnesiumblitzlichtbeutel mit Zündschnur zu hantieren – das entfachte den Erfindergeister in Artur Fischer. Monate später hatte er das Patent für das erste Synchronblitzlichtgerät in der Tasche. 1950 biss der Agfa-Konzern an und erteilte einen Großauftrag. Schon wuchs der kleine Werkstattbetrieb in Rekordzeit zu einer Fabrik in Tumlingen mit mehr als 100 Beschäftigten.

Der Weg zum Großkonzern ebnete schließlich ein eher unscheinbares Plastikteil: der Fischer-Dübel. Diesen wohl bedeutendsten Einfall hatte Artur Fischer an einem Samstag im Jahr 1958, als er nach einer befriedigenden Lösung suchte, um Schrauben in Wänden sicheren Halt zu geben. Die herkömmliche Methode, ein Loch in die Wand zu schlagen, einen Holzklotz einzugipsen und dann später eine Holzschraube hinein zu drehen, war ihm viel zu umständlich. Also begann er, mit der Feile ein Rundstück aus Polyamid zu bearbeiten. Als er fertig war, war der Fischer-Dübel geboren. Der Markterfolg war überwältigend. Er legte den Grundstein für den neuen Geschäftsbereich Befestigungstechnik, der schnell zum wichtigsten Standbein von Fischer avancierte. Bis Ende der 1970er-Jahre entwickelte sich das Familienunternehmen unter Artur Fischers Regie zu einem Mittelstandsbetrieb mit 1480 Mitarbeitern, umgerechnet 80 Millionen Euro Umsatz und ersten Auslandsniederlassungen.

Artur Fischer war aber nicht nur kreativ bei den praktischen Dingen des Lebens. Er bewahrte sich auch stets das Kind im Manne. Generationen von Jungen und Mädchen liebten ihn für die Erfindung von Fischertechnik. Auf die Idee kam Fischer, weil sich in den prosperiereden Zeiten in den 1960er-Jahren sein Vorzimmer mit Weihnachtsgeschenken überquoll. Er entschloss sich zur kreativen Rebellion: Er verpflichtete sich künftig, die Kinder der Geschäftsleute zu bescheren. Die Geschenke sollten die kreativen Seiten fördern – und natürlich Spaß machen. So entstand der erste der Fischer-Modellbaukästen, die sich bis heute weltweit verkaufen.

Am 1. Januar 1980, einen Tag nach seinem 60. Geburtstag, legte Artur Fischer die Verantwortung in die Hände seines damals 29-jährigen Sohnes Klaus. Und dieser entwickelte den Familienbetrieb zielstrebig weiter. „Mein Vater hat dieses Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut. Seine Erfindungen haben den Grundstein gelegt für eine seit nunmehr 60 Jahre anhaltende erfolgreiche Entwicklung“, sagte Klaus Fischer über die Gründungsleistung seines Vaters.

Artur Fischer zog sich neu erbaute Entwicklungszentrum zurück. Er sammelte Auszeichnungen. Besonders stolz war er, dass ihm 1994 der Senat der Universität Stuttgart den Titel Dr.-Ing. E.h. verlieh. Denn schon als kleiner Junge hatte er sich nichts sehnlicherer gewünscht, als Ingenieur zu werden. Sein Erfindergeist blieb ungebrochen. 1998 freute er sich wie ein Kind, als es ihm gelang, aus pflanzlicher Stärke Fischer-TiP zu entwickeln. Auch im hohen Alter lag es ihm nicht, Geist und Hände ruhen zu lassen. Immer mehr Zeit hat er in den letzten Jahren seines Lebens auch an der Staffelei verbracht.

Diesen Mittwoch starb der Seniorchef und Senator E.h. Prof. Dr. phil. h.c. Dr.-Ing. E.h. Artur Fischer, die Beerdigung fand gestern auf dem Friedhof in Tumlingen im engsten Familienkreis statt.

Mäzen und Talente-Förderer

Artur Fischer hat Zeit seines Lebens junge Talente unterstützt. Um Innovationen zu fördern, rief er 2001 gemeinsam mit der Landesstiftung Baden-Württemberg den „Artur Fischer Erfinderpreis“ ins Leben. Der Preis wird alle zwei Jahre mit einer Preissumme von 32 250 Euro vergeben. Seiner Heimat blieb er ein Leben lang treu. Über all die Jahre unterstütze er Schulen und Kindergärten. 1 Million DM steuerte er zur Finanzierung der neunen Grund- und Hauptschule sowie der Sporthalle in Waldachtal bei. Auch Einrichtungen im karitativen, sozialen und künstlerischen Bereich hat er bedacht.