Der junge Karl Marx

Der junge Karl Marx

Das historische Politdrama schildert Marx‘ Exiljahre in Paris kurz vor der Veröffentlichung des Kommunistischen Manifests.

02.03.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Der junge Karl Marx

Bildlich existiert Karl Marx eigentlich nur als etwas furchteinflößender älterer Herr mit Rauschebart und Zottelmähne. Aber hey, der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus war auch mal jung und (zumal nach heutigen Hipster-Kriterien) regelrecht fesch. Er hatte leidenschaftlichen Sex und zog saufend um die Häuser. So schildert es jedenfalls der haitianische Regisseur Raoul Peck („Lumumba“) in seiner Spielfilm-Biografie, die den Werdegang des Weltveränderers zwischen seinem 26. und 29. Lebensjahr nachzeichnet.

1844 flieht der bürgerliche Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft (August Diehl) vor der rigiden preußischen Zensur nach Paris, später nach Brüssel, wo er mit seiner ebenfalls ziemlich schlauen Frau, der Adligen Jenny von Westphalen (Vicky Krieps), ein materiell ärmliches, aber zwischenmenschlich und intellektuell erfülltes Dasein fristet. Zunächst ein Opfer von Marx‘ berüchtigter Arroganz, wird der abtrünnige Großbürger Friedrich Engels (Stefan Konarske) sein engster Weggefährte (und finanzieller Unterstützer). Gemeinsam feilen die beiden an einer Theorie, wie die Arbeiter aus dem Joch eines rücksichtslosen Kapitalismus befreit werden können. Am Ende des Films beginnt das Kommunistische Manifest mit seinem Slogan „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ seinen Siegeszug um die Welt.

Erzählerisch verschränkt Regisseur Peck recht geschickt das Politisieren mit unterhaltsam dramatisiertem Alltag. Bei letzterem spielt „Freddy“ Engels die erste Geige. Seine Emanzipation vom Fabrikantensöhnchen zum Revolutionär (inklusive Ehe mit der irischen Arbeiterin Mary Burns) ist das Herz des Films.

Auf der Kopf-Ebene schaut der Film sozusagen dem Marxismus beim Enstehen zu. Wie ein Schwamm saugt Marx die politischen, ökonomischen und philosophischen Theorien seiner Zeit auf, scheut sich andererseits jedoch nicht, vermeintliche Verbündete im revolutionären Kampf – Utopisten, Schwärmer, Maschinenstürmer – ins Abseits zu drängen. Denn, so die zentrale These von Marx nach Peck: Mit Empörung, Moral und dem Willen allein ist kein Umsturz zu bewerkstelligen. Dazu bedarf es einer fundierten, idealerweise wissenschaftlichen Theorie – die berühmte Idee, die sich vor dem Interesse nicht blamiert.

Klar geht im Film auch das Gespenst des Kostümschinkens um, und ganz von Ferne mag geschichtsdidaktisch der Guido Knopp winken. Die charismatischen Schauspieler und Raoul Pecks intime Kenntnis der Materie lassen das aber verschmerzen.

Und was haben diese ollen Kamellen mit uns Heutigen zu tun? Für eine Antwort braucht der Regisseur nicht viel mehr als O-Ton Marx/Engels. „An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander“, wusste schon das Kommunistische Manifest von 1848.

Politische Ökonomie, garniert mit Sex, Saufen und Verfolgungsjagd – wer würde da nicht zum Marxisten?

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Erstellt:
02.03.2016, 11:01 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 02.03.2016, 11:01 Uhr

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