Alter Europäer macht jungem Amerikaner den Garaus. Kein Wunder, dass das lange her ist.

Der stille Amerikaner

Alter Europäer macht jungem Amerikaner den Garaus. Kein Wunder, dass das lange her ist.

24.11.2015

Von che

Der stille Amerikaner

Eigentlich müsste nicht „Matrix? der Blockbuster der Saison werden, sondern dieser Film. Jedenfalls steht er mit seiner verblüffend Amerika-kritischen Haltung (ein paar Parallelen zum Irak-Konflikt dürfen durchaus gezogen werden) dem Zeitgeist sehr viel näher als die Selbstfeier der amerikanischen HighTech-Maschinerie im Cyberspace-Spektakel der Wachowski-Brüder. Aber auch ohne diese politische Dimension ist die Verfilmung der Vietnamkriegs-Erzählung von Graham Greene eine intelligente und unterhaltsame Sache, die man schon wegen der überragenden schauspielerischen Leistung von Michael Caine nicht versäumen sollte.

Am Anfang schwimmt eine Leiche im Saigon-Fluss. „Er war ein feiner Kerl?, sagt der britische Reporter Thomas Fowler (Caine) über den Toten zur Polizei. „Keiner von diesen lauten Lümmeln. Er war ein stiller Amerikaner.? Kennen gelernt hatten die beiden sich etwa ein Jahr zuvor: Fowler, der müde und faul gewordene Kriegsberichterstatter, und Pyle (Brendan Fraser), der sympathische, naiv-dynamische, köstlich unbeholfene Vietnam-Novize, Mitglied eines medizinischen Versorgungs-Trupps aus den USA. Womöglich wären sie die besten Freunde geworden, wenn sich nicht eine heftige Rivalität um Fowlers vietnamesische Geliebte (Do Thi Hai Yen) ergeben hätte. Bei seinem Kampf ums private Glück kommt dem Reporter die Entdeckung gelegen, dass Pyle keineswegs die mildtätige Samariter ist, der er zu sein vorgibt.

Es sind mehrere Geschichten, die Regisseur Phillip Noyce ? dicht an der Vorlage Graham Greenes ? elegant miteinander verknüpft. Da ist zunächst das Psycho-Drama des alternden Journalisten, der sich „am Beginn meines Todes? wähnt, sollte er die Geliebte verlieren. Auf der Politthriller-Ebene geht es um das Ringen zweier moralischer Systeme. Hier der alte Europäer, der sich vom distinguierten Beobachter der Weltläufe zum politischen Idealisten gemäß der Parole „Du musst Partei ergreifen, wenn du menschlich bleiben willst? mausert; dort der junge Amerikaner, hinter dessen jovialer Fassade der blanke Zynismus lauert. Damit verstrickt ist ? drittens ? eine kundige Analyse der Vorgeschichte des Vietnam-Desasters der USA.

Der Film zeigt den Verfall des französischen Kolonialregimes (die Geschichte spielt 1952, zwei Jahre vor dem Sieg der Kommunisten in Dien Bien Phu); die Versuche der Amerikaner, sich unter antikolonialem Banner als neue Hegemonialmacht zu etablieren; ihre Strategie, blutrünstige Warlords gegen Franzosen und Kommunisten aufzurüsten.

Man muss sich schon wundern, wie rüde hier ? in einem Hollywoodfilm! ? das amerikanische Freiheits-Modell an den Pranger gestellt wird. Schlicht genial ist das Bild, das die Macher dafür gefunden haben. Wie sich CIA-Mann Pyle nach einem von ihm mitverschuldeten Massaker angeekelt das Blut vom Schuh wischt ? das ist die Quintessenz der amerikanischen Vietnam-Politik der darauffolgenden 23 Jahre.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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