Schokolade – aber bitte fair

Die 11. Tübinger Chocolart begann am Dienstag in der Tübinger Altstadt

Der Sack ist schwer, selbst für einen Erwachsenen. Er wiegt mehr als 30 Kilo. Wer es schafft, darf ihn sich im Rathaus-Foyer über die Schulter werfen. Auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste und Ghanas werden solche Säcke von Kindern getragen. Jeden Tag. Eine halbe Million Kinder wird in Westafrika ausgebeutet, geht nicht zur Schule, ruiniert die Gesundheit.

30.11.2016

Von Volker Rekittke

Lebkuchenlicht an Fassaden und Riesenflammen auf Laternen beleuchten am Abend die Chocolart. Bild: Metz

Lebkuchenlicht an Fassaden und Riesenflammen auf Laternen beleuchten am Abend die Chocolart. Bild: Metz

Deutschland ist einer der wichtigsten Märkte für Kakao. Im Schnitt 100 Tafeln im Jahr werden hier pro Kopf verspeist. Mehr als die Hälfte der braunen Bohnen stammen von der Elfenbeinküste und werden häufig unter ausbeuterischen Verhältnissen angebaut. Für 700 000 Kakaobauern dort reicht der viel zu niedrige Kakao-Weltmarktpreis meist nicht für ein menschenwürdiges Leben.

Über diese bittere Seite der Schokolade informiert bis Sonntag die Ausstellung „Süß & Bitter“ im Rathaus-Foyer – auf Schautafeln, mit Video- und Audiovorführungen und zum selber Ausprobieren.

„Wir wollen, dass unser Genuss nicht auf Kosten von den Menschen in den Anbauländern geht“, sagte Oberbürgermeister Boris Palmer am Dienstagmittag bei der Eröffnung der 11. Chocolart auf dem Tübinger Marktplatz. Das Thema Fairtrade hat diesmal einen besonders hohen Stellenwert auf dem größten Schokomarkt der Republik. Nicht nur durch die Rathaus-Ausstellung und diverse begleitende Veranstaltungen. Auch an den über 100 Ständen findet sich immer mehr direkt und fair gehandelte Schokolade. Und der Kakao an den Marktständen wird mit „TüBio“-Milch gemacht, sagte Jörg Romanowski vom HGV-Vorstand.

Viel fairer als am Stand von Kallari kann Schokolade nicht sein. Unterhalb der Silberburg auf dem Marktplatz werden die vollständig in Ecuador produzierten Tafeln verkauft. Von der Bohne bis zur Tafel bleibt die gesamte Wertschöpfung im Land. Dazu gibt’s Trinkschokolade, wahlweise mit oder ohne Pisco – der Trauben-Schnaps ist peruanisches Nationalgetränk. Mit der Kallari-Genossenschaft hat die Fairtrade-Stadt Tübingen jetzt eine Zartbitter-„Stadtschokolade“ kreiert. Erste Tafeln gibt’s bei der Veranstaltung samt Live-Schaltung zur Kooperative in Ecuador am Sonntag (10.30 Uhr, Rathaus-Foyer).

Schokolade satt gibt’s auch in der Hafengasse, die für die nächsten Tage zur „Italienischen Gasse“ wird. „Bean to Ciok“, von der Bohne zur Schokolade, heißt eine dunkle Mischung am Stand der Turiner Schokoladenmaufaktur Tociok. 75 Prozent Kakao, 25 Prozent Rohrzucker stecken in der Tafel. Sonst nichts. Der Geschmack ist trotzdem immer anders. Die Kakaosorten stammen von kleinen Produzenten aus Vietnam, Kolumbien, Ghana, Ecuador, Costa Rica, der Dominikanischen Republik.

Mehr als eine Viertelmillion Menschen erwartet Chocolart-Organisator Hans-Peter Schwarz von der Tübingen Erleben GmbH bis Sonntag, 19 Uhr, in den Altstadtgassen. In denen konnten die Besucher bereits am gestrigen Eröffnungsabend erahnen, wie eng es erst am Wochenende zugehen dürfte. Besonders am Samstagabend, wo zusätzlich viele Geschäfte bis 23 Uhr geöffnet haben. Erfahrene Schoko-Fans bummeln deshalb auch gern antizyklisch: am Vor- oder am frühen Nachmittag.

Zum Ausprobieren: Über 30 Kilo wiegt der Sack Kakaobohnen bei der Ausstellung „Süß & Bitter“ im Rathaus-Foyer. Bild: Rekittke

Zum Ausprobieren: Über 30 Kilo wiegt der Sack Kakaobohnen bei der Ausstellung „Süß & Bitter“ im Rathaus-Foyer. Bild: Rekittke