Sprachtalent aus Wurmlingen

Die 16-jährige Kiara Francke hat einen Fantasy-Roman geschrieben, der von Amazon verlegt wurde

Worauf manche Autoren ein Leben lang hinarbeiten, hat Kiara Francke schon mit 16 Jahren geschafft: Ihr Roman „Als die Luft verschwand“ wurde von einem großen Verlag gedruckt. Sogar Tantiemen bekam sie schon dafür. Vor zwei Wochen war sie mit ihren Eltern und einem Agenten auf der Frankfurter Buchmesse, gab Interviews und las aus dem frisch erschienenen Buch ein paar Seiten vor.

04.11.2016

Von Ulrich Eisele

Auf der Frankfurter Buchmesse las Kiara Francke erstmals aus ihrem frisch erschienenen Buch vor. Agenturbild

Auf der Frankfurter Buchmesse las Kiara Francke erstmals aus ihrem frisch erschienenen Buch vor. Agenturbild

Messe, Masse, Starautoren – war sie da nicht ein wenig aufgeregt? „In dem Moment eigentlich nicht“, antwortet Kiara Francke. Erstaunlich viele Besucher hätten ihr zugehört, berichtet sie, „hauptsächlich Mädchen meines Alters“. Einige hätten durchblicken lassen, selbst Romane zu schreiben, und wollten Tipps haben, wie man an einen Verlag herankommt. Und? Wie geht das?

Bei Kiara gelang dies mehr oder weniger zufällig. Ein Freund ihres Vaters, der in München wohnt, sei mit einer Verlagslektorin liiert. Der sei bei einem Besuch auf ihren Roman aufmerksam geworden und habe ihn mitgenommen. Und dann seien die Leute von 47North auf sie zugekommen. 47North ist ein speziell auf Fantasyliteratur ausgerichtetes Tochterunternehmen der Amazon Media Gruppe.

Wir sitzen im Wohn- und Esszimmer ihres elterlichen Hauses in Wurmlingen. Von dort hat man einen schönen Blick auf den alten Ortskern und die Wurmlinger Kapelle. Vor dem Haus parkt ein neuer VW-Bus, daneben steht der Handwagen, mit dem Kiara den TAGBLATT-Anzeiger ausfährt. Sie geht in in die elfte Klasse des Rottenburger Sankt Meinrad-Gymnasiums, reitet fünf Mal pro Woche, spielt Tennis und Geige. Bleibt ihr da überhaupt noch Zeit zum Schreiben?

„Ich schreibe vorwiegend in den Ferien“, erklärt Kiara. Die Urlaube verbringe sie oft mit ihren Eltern in Kroatien. „Dort kann sie dann stundenlang an ihrem Laptop sitzen“, berichtet ihre Mutter Meike, die dem Gespräch aufmerksam zuhört. „Eigentlich schreibt sie schon seit der Grundschule Geschichten“, ergänzt sie.

Auf dem Esstisch hat sie Kiaras Werke ausgebreitet – Schulhefte, Ringbücher, dicke Packen mit semi-professionell gestalteten Einbänden. Einen Meerjungfrauen- und einen Pferderoman hat Kiara schon geschrieben, – und einen mit dem Titel „Die Freiheitskämpferin“. „Die Bücher hat sie uns immer zu Weihnachten geschenkt“, berichtet Meike Francke.

Und nun also einen Fantasy-Roman. Was hat sie an diesem Genre besonders gereizt? Sie habe „ziemlich viel Harry Potter“ gelesen, erzählt Kiara Franke. „Fünf Mal vorwärts und rückwärts“, ergänzt ihre Mutter. Auch die „Tribute von Panem“ gehören zu ihren literarischen Vorbildern. Ihre
Lektüre färbe schon ein wenig auf ihren Stil und ihre Thematik ab, hat sie erkannt. „Jetzt lese ich andere Bücher“, sagt sie – und schreibt schon am nächsten, einem Liebesroman.

In ihrem letzten, den sie mit 14 Jahren vollendete, geht es wie bei „Harry Potter“ um eine Parallel-Welt: „Als die Luft verschwand“ handelt von Wesen, die übernatürliche Fähigkeiten besitzen, gegeneinander kämpfen, die Macht an sich reißen wollen – oder die Welt retten. Ein Jugendroman, in dem Überlebenskämpfe, Beinahe-Flugzeugabstürze und dunkle Familiengeheimnisse über 420 Seiten einen nahezu perfekten Spannungsbogen aufbauen.

Ob der Verlag daran noch viel geändert hat?, will ich wissen. Sprachlich sei ihr Manuskript schon ein wenig geglättet worden, antwortet Kiara Francke. Auch ein paar Fakten, die sich auf die USA beziehen, wurden berichtigt. Aber im wesentlichen seien Handlung und Stil unverändert geblieben.

„Reizvoll fand ich, dass ich die Charaktere so gestalten konnte, wie ich wollte“, sagt die 16-Jährige. Figuren, eine Handlung, eine Welt erfinden, habe ihr großen Spaß gemacht. Wenn sie schreibt, taucht sie in die andere Welt ein, ist ganz bei sich.

Klar, dass Deutsch in der Schule ihr Lieblingsfach ist – neben Französisch und Englisch. Ihrer Deutschlehrerin hat sie noch nicht gesagt, dass sie Romane schreibt. Vielleicht ändere sich das jetzt, nachdem ihr Buch erschienen ist, sagte Kiara kürzlich dem Südwestrundfunk, der sie ebenfalls um ein Interview bat.

Ein wenig erstaunt scheint sie zu sein, wie heute der Bücher-Markt funktioniert. Bei der Buchmesse musste sie eine Signierstunde abhalten. Später habe sie dann an einer Runde mit etwa 40 Bloggern teilnehmen dürfen – einflussreiche Multiplikatoren, die Bücher rezensieren und empfehlen. Eine Bloggerin habe ihr versprochen ihr Erstlingswerk zu besprechen, berichtet Kiara.

In Rottenburg kann man das Buch bislang noch nicht kaufen, bedauert Mutter Meike. Denn Amazon vertreibt die eigenen Druckwerke nur im Internet. Vielleicht gebe es eine Möglichkeit, hofft Meike Francke, dass Osiander „Als die Luft verschwand“ in sein Sortiment übernimmt.

Und wie stellt sich Kiara ihre Zukunft vor? Schriftstellerin wäre schon ihr Wunsch-Beruf, sagt sie. Aber ob sie davon leben könnte, sei eine andere Frage. Jetzt will sie erst einmal Abitur machen. Zeit fürs Schreiben bleibe ihr dabei noch genügend, meint sie.

Buchcover

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