Stammtisch-Serie: Auf ein Bier (1)...

Die Alt-Schwarzen vom „Schiff“

Von Kommunalpolitik und streitbaren Zeiten: Jeden Donnerstag treffen sich die redseligen Alt-CDU’ler aus Horb zum Stammtisch.

14.08.2018

Von Kathrin Kammerer

Auf ein Bier im „Schiff“: Jeden Donnerstag treffen sich die Alt-CDU’ler am Stammtisch. Meistens dabei: Gerhard Munding, Emil Dörr, Kurt Schmid und Rudi Vees (von links). Wenn er Zeit hat, setzt sich auch Schiff-Wirt Franz Geßler dazu (rechts).Bilder: Kuball

Auf ein Bier im „Schiff“: Jeden Donnerstag treffen sich die Alt-CDU’ler am Stammtisch. Meistens dabei: Gerhard Munding, Emil Dörr, Kurt Schmid und Rudi Vees (von links). Wenn er Zeit hat, setzt sich auch Schiff-Wirt Franz Geßler dazu (rechts).Bilder: Kuball

Heute, in den Ferien, sind sie nur zu viert: Gerhard Munding (76), Emil Dörr (84), Kurt Schmid (82) und Rudi Vees (85). Der Bürgermeister a.D., der Seniorchef der Horber Weinhandlung, der gelernte Metzger und der ehemalige Rektor der Dettinger Schule: Sie sind der harte Kern des Horber CDU-Stammtischs. Wenn alle kommen, sind sie zu zehnt.

Jeden Donnerstag treffen sie sich am Stammtisch im „Schiff“, immer um 17.30 Uhr. Nur am ersten Donnerstag des Monats, da sind sie auswärts: mal in Wiesenstetten, mal in Ahldorf. Wer fehlt, der meldet sich ab. Alles hat seine ganz klaren Regeln.

An diesem Donnerstag sind sie zunächst die einzigen Gäste im urigen Gastraum vom „Schiff“. Ahnenbilder blicken auf die kleine Runde herab, Wirtin Blandina Geßler steht hinter der holzvertäfelten Theke. In den Regalen stehen Gläser, Flaschen und Pokale. Wirt Franz Geßler setzt sich dazu. Er ist in Horb aufgewachsen, wie alle außer Munding auch.

Ja, sie reden gerne über die alten Zeiten, noch viel lieber, wenn die SÜDWEST PRESSE-Redakteurin mit am Tisch sitzt. „Früher, da hat man im Gemeinderat noch richtig gestritten“, sagt Bürgermeister a.D. Munding. War das besser? „Naja, jetzt ist die Diskussionskultur auf jeden Fall angenehmer.“ Munding ist mit seinen 76 Jahren der jüngste am Tisch. Er sitzt als einziger noch im Gemeinderat.

Früher, da gingen die CDU’ler auch nach jeder Gemeinderatssitzung in die „Germania“ zur Einkehr. Auch da hatte alles seine Ordnung: „Jeder hatte seinen festen Sitzplatz“, sagt Schmid, Ahldorfs ehemaliger Ortsvorsteher. Je weiter vorne man an der Tafel saß, desto besser. Aufrücken? Das konnte man nur, wenn ein anderer aus dem Gremium ausschied. Schmid bestellt einen Weißherbst bei Wirtin Blandina und erzählt weiter. Als er 2009 Abschiedssitzung im Rat hatte, gab’s Schwarzwurst und Rotwein. Ein zünftiges Vesper, mitten in der Sitzung: „Ich dachte OB Rosenberger flippt aus.“

Franz (74) und Blandina Geßler (69) betreiben das „Schiff“ in der siebten Generation. 1992 haben sie das Wirtshaus mit Gästezimmern von seinen Eltern übernommen. Gerne sitzt Franz Geßler draußen im Gang an seinem Tischchen, auf dem beide Horber Lokalzeitungen und die Bild-Zeitung liegen. Dort raucht er in Ruhe einen Zigarillo. Die Flurwand ziert ein riesiger Stammbaum, den Geßler selbst gemalt hat. Die fein verzierte Ahnentafel beginnt bei 1400. Und wo ist der Wirt selbst? „Das hat gar nicht mehr drauf gepasst“, winkt dieser ab.

Er ist ein ruhiger Typ, besonders im Vergleich zu seinen Gästen am Stammtisch. Der 74-Jährige war Lehrer in Reutlingen. Das „Schiff“ ist übrigens nicht nach dem Seegefährt benannt, sagt er. „Sondern nach dem Kirchenschiff, als Versammlungsraum.“ Viele alte Kneipen haben biblische Namen, sagt er weiter. Beispielsweise auch der „Ochsen“ oder der „Löwen“.

Eine junge Frau kommt in den Gastraum. Der Stammtisch grüßt schwäbisch-pragmatisch: freundlich, aber kurz angebunden. Und immer aufmerksam beobachtend. Fazit: „Die ghört zu de Grüne.“ Was passiert eigentlich, wenn der runde Tisch an einem Donnerstag um 17.30 Uhr mal besetzt ist? „Wir vertreibet niemand“, sagt Bürgermeister a.D. Munding und lacht. „Der darf bleibe, er muss nur CDU-freundlich sein“, ruft Schmid. Die Runde lacht ebenfalls.

Und ein Nicht-CDU’ler? Geht auch – der darf aber nicht zart besaitet sein und muss ein paar Parteiwitze aushalten können. Die Stammtisch-CDU’ler erinnern sich gerne an die großen Mehrheitszeiten in Horb: „Früher mussten wir gar nicht streiten – was wir machen wollten, das wurde auch durchgewunken“, sagt Kurt Schmid.

Einmal, da schrieb ein Gemeinderat von den Freien Wählern einen Leserbrief. In diesem bemängelte er, dass Rudi Vees „immer den gleichen Kittel an hat“ – so könne sich Horb ja nicht entwickeln. Wieder lachen alle schallend. „Ich hab’ zwei gleiche Kittel“, sagt Vees trocken. Ja, gezankt haben sich die vier Herren am Stammtisch gerne.

Viel CDU, viele Erinnerungen, und ein bisschen Horber Tratsch und Klatsch: Das Stammtisch-Rezept im „Schiff“ bewährt sich seit 15 Jahren. Nur ein bisschen kleiner ist die Runde seitdem geworden, und einen Jahresausflug machen die Männer auch nicht mehr.

Wirtin Blandina Geßler bringt nochmal ein Bier für Vees und Munding, und einen Kaffee für Dörr. Ein Ehepaar betritt den Gastraum, der Stammtisch grüßt etwas ausführlicher. Der neue Blitzer an der Bildechinger Steige sei ja mal ein richtiger Mist, wieso der im Gemeinderat durchgewunken wurde, fragt der Mann Alt-Bürgermeister Munding. „Ich war sicher net dafür!“ sagt dieser fast schon empört. „Man kriegt halt heute au keine gescheide Mehrheit mehr zusammen, um gegen so was zu stimmen.“

Zum Abschluss erhält die SÜDWEST PRESSE-Redakteurin einen Exkurs in Horberisch: Dätsail, Ohldorf und Mettstett’? „Sie müsset no viel lerne“, kommentiert Kurt Schmid das verwirrte Gesicht. Um 19.15 Uhr steht Vees zielgerichtet auf, er hat seine Frau im Auto vor dem „Schiff“ entdeckt: „Mein Chauffeur isch da.“ Die obligatorische Frage zum Abschied: Nächste Woche? „Ja klar“, sagt Vees, schnappt sich seinen Stock, grüßt kurz in die Runde und geht.

Die Alt-Schwarzen vom „Schiff“

Drei Fragen an den Wirt

Wer ist im „Schiff“ zu Besuch?

Bei uns kann jeder kommen, der sich gut benimmt.

Wenn ich für eine Stunde vorbei kommen würde – was würden Sie mir empfehlen?

Schnitzel oder Wurstsalat!

Was steht bei Ihnen auf dem Tisch, wenn Sie eine Pause machen?

Ein Viertele Trollinger. Aber erst ab 22 Uhr.

Zum Dossier: Auf ein Bier...

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Erstellt:
14.08.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 43sec
zuletzt aktualisiert: 14.08.2018, 01:00 Uhr

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