Tübingen· CineLatino

Die Dinge ihres Lebens

„Muchos hijos, un mono y un castillo“ (Viele Kinder, ein Affe und ein Schloss) zum Auftakt ist ein turbulenter Familienfilm aus Spanien um die Matriarchin Julita.

10.04.2019

Von Dorothee Hermann

Noch rundum glücklich: Julita Salmerón in ihrem Schloss vor dem Kaminfeuer.Bild: CineLatino

Noch rundum glücklich: Julita Salmerón in ihrem Schloss vor dem Kaminfeuer.Bild: CineLatino

Eine abrupte Veränderung des sozialen Status muss nicht immer ein Schock sein: Überraschend mit einer Erbschaft gesegnet, kann die Betreiberin einer Kindertagesstätte endlich einen Herzenswunsch umsetzen und sich ein Schloss zulegen. Dort hat Julita Salmerón genug Platz für ihre wachsende Familie und vor allem für ihre große Leidenschaft, alles, aber auch gar alles aufzuheben.

Schauspieler, Sohn und Regisseur Gustavo Salmerón ist inmitten dieser mehr oder weniger wertvollen Schätze aufgewachsen, die er nun genüsslich vor dem Zuschauer ausbreitet. Er fängt die zwiespältige Faszination einer Frau ein, die einfach alles hortet, aber nicht als Messie abzustempeln ist. Der spanische Filmemacher hat seine Mutter 14 Jahre lang mit der Kamera begleitet. Homevideos und alte Familienfotos runden das Bild ab. Es entsteht ein so lebendiges Porträt der Großfamilie, dass die Dokumentation den wichtigsten spanischen Filmpreis Goya abräumte.

Die lebhafte und exzentrische Julita ist das Zentrum des Films wie ihrer Familie. Man kann sich daran stören, dass sie in ihrem beschwingten Lebensmonolog nur nebenbei erwähnt, dass sie aus einer Familie von Franco-Anhängern stammt. Ihre Großmutter sei von „den Roten, den Kommunisten“ ermordet worden. Ein paar Wirbelknochen der Vorfahrin sollen noch irgendwo im Schloss lagern, und die Suche nach ihnen zieht sich wie ein tragikomischer Running Gag durch den Film.

Als auch in Spanien die Finanzkrise zuschlägt, scheint sich Julitas Glücksrad plötzlich wieder in die andere Richtung zu drehen, und die Außenwelt außerhalb des Schlossbezirks macht sich auf einmal empfindlich bemerkbar. Mit theatralisch überspitzter Verzweiflung erlebt sie, wie ihre geliebten Besitztümer zum bleischweren Ballast werden. Für Leute, die es gerne übersichtlich haben oder gerade Aufräum-Guru Marie Kondo für sich entdecken, dürfte das Schloss voller Plunder ein Horror sein. Doch angesichts derartig spartanischer Vorstöße kann es auch befreiend sein, wenigstens im Kino in Julitas bunte, verwirrende Welt einzutauchen. (Heute, 19.30 Uhr, Kino Museum. Englische Untertitel)

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Erstellt:
10.04.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 58sec
zuletzt aktualisiert: 10.04.2019, 01:00 Uhr

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