Über den Umzug eines der Filmfestivals

Die Frauenwelten verlassen die Stadt

Das Frauenwelten-Filmfestival steht in diesem Jahr zum letzten Mal im Tübinger Kulturkalender.

12.03.2019

Von Ulla Steuernagel

Diese Nachricht wird die Festivalbesucherinnen und -besucher sicher nicht freuen.

Ist dem Frauenfilmfest der Genderblick aufs Kino vergangen oder sind ihm gar der Stoff und die Gäste ausgegangen? Nein, all dies ist nicht der Grund für den Abschied – und die nur eingeschränkt gute Nachricht ist: Es hört auch nicht ganz auf. Das Festival packt seine Koffer und verlässt einfach nur Tübingen. Die Frauenwelten ziehen nach Berlin. Nicht weil sie in ihrer Geburtsstadt keine Zuschauerinnen oder keine Zukunft mehr hätten, es gibt auch keine internen Querelen – eine deutliche Zäsur legt den Umzug nahe: Leiterin Kathrin Frenz will sich beruflich anders orientieren.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, die Ausrichterin des Festivals, hat sich begreiflicherweise schon 2011 in die Hauptstadt davongemacht. Ihre Festivaltochter folgt nun nach.

Für Tübinger Filmfreundinnen und -freunde ist das jammerschade. Seit 2001 sind die Frauenwelten eine feste Größe im November-Kulturprogramm der Stadt. Und da sie ein sehr politisches Festival sind, konnten sie auch auf einen Solidarbonus setzen und im Laufe der Jahre eine Reihe von stillen Stars in die Stadt locken. Und sympathischerweise ging es diesen Gästen nicht um Honorare oder Promotion ihrer Person, sondern um die Verbesserung der Lebenssituationen von Frauen in aller Welt: Prominentester Gast war die liberianische Friedensaktivistin Leymah Gbowee. Sie kam 2009 nach Tübingen und wurde zwei Jahre später mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Auch die äthiopische Anwältin und Frauenrechtsaktivistin Meaza Ashenafi nahm 2014 mit dem Oscar-nominierten Film „Difret“ an den Frauenwelten teil. Sie hatte ein junges Mädchen verteidigt, das seinen Vergewaltiger in Notwehr getötet hatte und deshalb verurteilt werden sollte. Sima Samar, Frauenministerin und Menschenrechtsbeauftragte in Afghanistan, die iranische Regisseurin Samira Makhmalbaf, auch die Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, Jeanine Meerapfel – sie alle besuchten Tübingen und brachten Bilder anderer Lebensverhältnisse mit, in denen Frauen um ihre elementaren Rechte kämpfen müssen.

Das Festival lief gut, mangelndes Publikumsinteresse wäre also kein Grund gewesen, die Stadt zu verlassen. Auch die Aufforderung des Gemeinderats, dass sich die Festivals terminlich untereinander besser absprechen sollten, hat die Frauenwelten nicht vertrieben. Es sind eher die finanziell prekären Arbeitsbedingungen, die einen Neuanfang nötig machen. Am Berliner Stammsitz von Terre des Femmes ist schon die organisatorische Infrastruktur gegeben, und vielleicht ist es hier auch einfacher, eine neue Leiterin für den Job zu finden. Die Entscheidung wegzugehen ist verständlich, aber höchst bedauerlich für Tübingen.

Immerhin bleibt noch eine Gelegenheit, adieu zu sagen. Im November werden die Frauenwelten ihr letztes Tübinger Festival veranstalten. Die langjährige und schon in den Ruhestand verabschiedete Leiterin Irene Jung hat sich zu einem Nachschlag bereit erklärt. Von 2010 an bleibt den Tübinger Zuschauerinnen nur noch die Möglichkeit, den Frauenwelten nach Berlin hinterherzureisen.

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Erstellt:
12.03.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 12.03.2019, 01:00 Uhr

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