Jetzt werden sogar die Intellektuellen auf Selbstjustiz getrimmt. Wo soll das hinführen?

Die Fremde in dir

Jetzt werden sogar die Intellektuellen auf Selbstjustiz getrimmt. Wo soll das hinführen?

24.11.2015

Von che

Zu den Annehmlichkeiten des Kinos gehört, dass man sich dort an Dingen ergötzen kann, die im wirklichen Leben streng verpönt sind. Zum Beispiel Selbstjustiz. Wer sich bei so einem Rachefeldzug gern vor Vergnügen auf die Schenkel klopft, dem sei der aktuelle Film „Death Sentence? empfohlen. Wer dabei ein schlechtes Gewissen hat und deswegen argumentative Stützen braucht ? für den ist der neue Film mit Jodie Foster (Regie: Neil Jordan) gemacht.

Eingeführt wird diese Erica Bain als New Yorker Musterliberale: gebildet, kunstsinnig, tolerant. Selbstjustiz und Todesstrafe sind ihr ein Gräuel, und Gewalttäter würde sie wohl als Opfer schlimmer sozialer Verhältnisse in Schutz nehmen. Das ändert sich schlagartig, als sie eines Nachts im Park überfallen, ihr Freund totgeschlagen und sie selbst ins Koma geprügelt wird.

Als Erica Wochen später erwacht, ist sie eine andere: Von ständiger Angst gebeugt, sucht und findet sie Sicherheit bei einer Pistole. Wann immer sie fortan in eine bedrohliche Situation gerät (was merkwürdigerweise beinahe täglich der Fall ist), löst sie das Problem mit ihrem todbringenden Helferlein. Und allmählich eskaliert die Selbstverteidigung zu einem Feldzug gegen das Böse in der Welt schlechthin. So weit, so Kino-üblich.

Weil Jodie Foster aber nun mal nicht Charles Bronson („Ein Mann sieht rot?) ist, benötigt der Rachdurst intellektuellen Flankenschutz. Allerdings reichen Fosters Rechtfertigungs-Monologe über das Argumentations-Niveau in Weißer-Ring-Broschüren selten hinaus. Noch aufgesetzter ist das im Filmtitel anklingende Motiv, dass Foster / Bain auf ihrem Bluttrip sich selbst immer fremder wird. Das wird mal so behauptet, hat aber weder für die Handlung noch für die innere Entwicklung der Hauptfigur irgendeine ernsthafte Konsequenz.

Denn natürlich will kein Zuschauer Foster als zweifelnd leidendes Heimchen, sondern als energischen Racheengel sehen, und genau darauf ist der Film in aller Scheinheiligkeit auch aus: schon indem er alle Opfer ihrer Strafexpedition als minderwertigen Menschenmüll zeichnet.

Der Rezensent bekennt sich hiermit ausdrücklich als großer Fan einfacher und ehrlicher Selbstjustiz-Thriller. Versuche, seine niederen Instinkte intellektuell zu ummänteln, findet er dagegen zum Kotzen.

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