Tübingen · EU-Wahl
Die Grünen liegen erstmals vorn
Die Grünen feiern, die SPD ist bestürzt und Tübingen hat, weil Claudia Haydt von der Linken es nicht schaffte, keinen Vertreter mehr im EU-Parlament.
Im Trend lag der Wahlkreis Tübingen gestern auch bei der gestiegenen Wahlbeteiligung. In den Wahllokalen gab es vielerorts wegen des großen Andrangs ungewöhnlich lange Wartezeiten. Schon um die Mittagszeit lag die Wahlbeteiligung landesweit um gut fünf Prozent höher als vor fünf Jahren um die selbe Zeit.
Die Grünen sahen ihre Erwartungen sogar noch übertroffen. Klimaschutz und Umwelt – die großen Themen vor der Wahl – brachten viele Wählerstimmen. „Das Ergebnis ist besser, als wir erhofft hatten“, sagte der Grünen-Kandidat Wolfgang G. Wettach. Seine Partei habe „einen Kurs der Eigenständigkeit gefahren“ und sei damit „flügelübergreifend wahrgenommen worden“. Die Auswertung der Wählerwanderung zeige, dass die Grünen von allen Parteien hinzugewonnen hätten. Erfreut registrierte er auch, dass der unerwartete europaweite Stimmenzuwachs jetzt die „Groko“ im Europäischen Parlament beschränke. Die Grünen hätten bereits gezeigt, dass sie auch „länderübergreifend Mehrheiten finden“ können.
Für Claudia Haydt, Kandidatin auf Listenplatz 7 der Linken, herrschte am Wahlabend schnell Klarheit. Hätte ihre Partei ihr bundesweites Wahlergebnis von 2014 von 7,4 Prozent wenigstens annähernd halten können, wäre der Tübingerin ein Mandat wohl sicher gewesen. Doch mit den schon früh am Abend prognostizierten 5,5 Prozent kommt die Linke nur noch auf 5 statt wie bisher 7 Sitze, und Haydt geht leer aus.
Der SPD-Kandidat für Südwürttemberg, Dieter Heidtmann, hatte auf einem aussichtslosen Listenplatz kandidiert. Wenigstens ein Ziel sah er erreicht: „Wir wollten eine Pro-Europa-Wahlstimmung erreichen. Das ist gelungen. Und es hat sich gelohnt, diese Zeit für Europa zu investieren.“ Das Ergebnis kommentierte die SPD-Kreisvorsitzende Dorothea Kliche-Behnke: „Ein bitterer Abend für die SPD.“
Selbstverständlich hätte die Rottenburgerin auch gehofft, dass die CDU insgesamt besser abschneidet. Aber die Partei vertrete nun einmal in erster Linie das Thema Wirtschaft und sei konservativ. In den letzten Tagen sei zunehmend der ebenso wichtige Klimaschutz in den Blick geraten. „Ich habe versucht, zwischen den Themen zu vermitteln. Ob ich es geschafft habe, ist die andere Frage“, sagt die Kandidatin aus Rottenburg. Es werde nun intern Diskussionen geben. Aber es helfe nichts, „sich zu verfälschen“.
Auf Platz 125 der Europawahlliste hatte FDP-Kandidat Julian Barazi von Anfang an nie eine Chance auf einen Platz im Parlament. Entsprechend gelassen verfolgte er gestern den Wahlausgang. „Wir können zufrieden sein“, erklärte er dem TAGBLATT, „wir haben die Zahl unserer Sitze fast verdoppelt.“ Er freue sich auch, dass der baden-württembergische Spitzenkandidat Horst Glück es ebenso in das Parlament geschafft habe wie die Vorsitzende der Jungen Liberalen.
Dass die Grünen am Sonntag so punkten konnten, versteht Barazi nicht. „Unser Vorschlag mit den Zertifikaten ist einfach besser für die Umwelt, denn es schafft doppelte Anreize für die Unternehmen.“ Vielleicht habe man die eigenen Ideen aber nicht „stark genug kommunziert“, räumte Barazi ein. Das wolle man beim nächsten Mal besser machen, sagte der Student.
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