Geldentwertung
Die Inflation kehrt zurück
Nachdem die Preise im vergangenen Jahr kaum gestiegen sind, wird derzeit vieles kräftig teurer. Ist das nur eine Eintagsfliege oder eine Tendenz, die für Probleme sorgen wird? Eine Spurensuche.
Warum steigen die Preise so stark? Mehrere Faktoren kommen zusammen. Die Energiepreise haben binnen eines Jahres um zehn Prozent zugenommen. Denn die Rohölpreise steigen kräftig, und zum Jahresbeginn wurde die CO2-Abgabe eingeführt. Gleichzeitig ist die Mehrwertsteuer wieder auf der alten Höhe, nachdem sie im zweiten Halbjahr gesenkt worden war – ein wesentlicher Grund dafür, dass die Inflation 2020 nur 0,5 Prozent betrug. Bei Lebensmitteln wirken sich schlechte Ernten aus, aber auch die wieder ansteigende internationale Nachfrage insbesondere aus den USA und China. Das führt auch bei anderen Gütern zu einer dramatischen Entwicklung: Baumaterialien vom Kies bis zur Schraube oder Mikrochips sind plötzlich knapp – und werden damit auch deutlich bis dramatisch teurer. Das ist schön für die Anbieter: Bei unveränderten Preisen machen sie mehr Gewinn.
Wie geht es weiter? Immer mehr Unternehmen wollen die Preise erhöhen, insbesondere weil ihre Lieferanten mehr verlangen, ergab eine Umfrage des Ifo-Instituts. Die Bundesbank schätzt, die Inflationsrate könne Ende dieses Jahres „vorübergehend vier Prozent erreichen“, „bevor zu Beginn des nächsten Jahres eine merkliche Normalisierung einsetzt“. Denn dann läuft manches wie der „Basiseffekt“ durch die Mehrwertsenkung 2020 aus. Wenn viele Corona-Restriktionen wegfallen, könnte die Nachfrage nach Reisen steigen, etwa für Flugtickets oder Hotels, und damit die Preise. Für das Gesamtjahr hält der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, mehr als drei Prozent für möglich. Für 2022 rechnet er aber mit einer Normalisierung.
Was macht die EZB? Viele hoffen sehnlichst, dass sie endlich Abschied von den negativen Zinsen nimmt. Danach sieht es aber nicht aus. Es sei nicht zu erkennen, dass die Geldpolitik der EZB die Erholung der Wirtschaft bremst, meint Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Denn mit Käufen von Staatsanleihen und Niedrigzinsen lasse sich ein Mangel an Mikrochips oder Bauholz nicht bekämpfen. Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, „erste Signale für einen Ausstieg aus den auf Dauer hochgradig problematischen Staatsanleihekäufen“ zu setzen, sagt er. Aber die Befürworter der Niedrigzinspolitik bei der EZB, auch aus den hoch verschuldeten Euro-Staaten, hätten immer noch eine Mehrheit.
Und die US-Notenbank? In den USA ist zwar die Inflationsrate auf über vier Prozent gestiegen. Zudem wurde ein Konjunkturpaket von 1,9 Billionen US-Dollar aufgelegt, was für weiter deutlich steigende Preise spricht. Doch die Fed hält das vorübergehend für akzeptabel, Hauptsache, es gibt wenig Arbeitslose. Sie hat bisher angedeutet, dass sie die Leitzinsen frühestens 2023 erhöhen will.
Sind die Sparer weiter die Dummen? Ja. Zwar sind die langfristigen Zinsen gestiegen, die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen von minus 0,6 Prozent auf minus 0,2 Prozent. Das ist noch keine Zinswende. Im Gegenteil: Angesichts des Inflationsschubs verlieren ihre Ersparnisse unterm Strich noch mehr an Wert. Zumindest wenn sie auf risikoarme Anlagen wie Anlagen oder Festgeld setzen.
Die gefühlte Inflation
Steigen die Preise nicht viel stärker, als die amtliche Statistik ausweist? Das ist eine alte Diskussion. Es gibt auch die „gefühlte Inflation“. Denn steigende Preise fallen viel mehr ins Auge als stabile oder gar sinkende. Das beste Beispiel sind Wohnungsmieten, die laut Statistischem Bundesamt recht konstant nur um 1,3 Prozent im Jahr zulegen. Für Aufregung sorgen nur drastische Steigerungen in einzelnen Regionen, nicht dagegen, dass die Mieten häufig unverändert bleiben.
Reiche behaupten, die Inflation sei viel höher, weil die Preise für Immobilien, Kunstwerke und andere Luxusgüter viel stärker steigen. Aber das wird von den Statistikern nicht erfasst.