Schluss mit Lindenstraße

Die Mutter aller Serien ist am Ende

Die am längsten laufende Seifenoper im deutschen Fernsehen wird eingestellt. Im März 2020 ist nach 34 Jahren Schluss mit der „Lindenstraße“. Ein schwerer Abschied.

17.11.2018

Von Gudrun Sokol (mit dpa)

„Herzlich willkommen“ lautete der Titel der ersten Folge am 8. Dezember 1985. Foto: Marius Graf/Fotolia.com, Engelmeier/WDR/dpa

„Herzlich willkommen“ lautete der Titel der ersten Folge am 8. Dezember 1985. Foto: Marius Graf/Fotolia.com, Engelmeier/WDR/dpa

Ulm. Schluss, Aus, vorbei! Nach 34 Jahren! Das ist mehr als doppelt so lange wie die deutsche Durchschnitts- Ehe hält. Fast ein halbes Menschenleben. Im Frühjahr 2020 wird endgültig Schluss sein mit der „Lindenstraße“ sonntagabends im Ersten. Pünktlich um 18.50 Uhr, vor all den anderen Fernseh-Fixpunkten: dem „Weltspiegel“ um 19.20, der „Tagesschau“ um 20 Uhr und dem anschließenden „Tatort“. Doch während es der Krimi-Klassiker in guten Zeiten noch heute auf über zehn Millionen Zuschauer bringt, lockt die „Lindenstraße“ kaum noch zwei Millionen.

Die treuen Fans werden von März 2020 an am frühen Sonntagabend ein Loch zu stopfen haben. Obwohl die ARD-Sendeplaner die „Lindenstraße“ zuletzt immer wieder von ihrem angestammten Platz geschoben haben, wenn etwas Wichtiges dazwischenkam: Mal lief sie 20 Minuten früher, ein anderes Mal 40 Minuten später, einmal sogar ohne Angabe von Gründen gar nicht. Und an Wahl-Abenden wurde sie zuletzt nur noch im Spartenkanal ARD One gesendet, wo sie wochentags sowieso in Endlos-Wiederholungen läuft.

Erste Sommerpause

Schon im Frühjahr hätte man etwas ahnen können: Zum ersten Mal musste die „Lindenstraße“ im Sommer mehr als vier lange Wochen pausieren – aus Sparzwängen, wie es damals hieß. Es war wohl der Anfang vom Ende. Hans Beimer (Hans Joachim Luger, 75), der vor wenigen Wochen – umsorgt von Exfrau und Ehefrau und mit verklärtem Blick auf die untergehende Abendsonne – in einer Waldhütte starb, hat einen günstigen Zeitpunkt erwischt. Oder er hat etwas vermutet: Gerüchte, dass auslaufende Produktionsverträge nicht mehr verlängert werden könnten, gab es schon lang.

Trotzdem reagierten Produzent Hans W. Geißendörfer (77) und seine Tochter und Nachfolgerin Hana (34) gestern überrascht, verärgert und empört: „Wir sind bestürzt und können nur unser Unverständnis zum Ausdruck bringen.“ In Zeiten von Rechtsruck und Ausländerfeindlichkeit sei die Serie „wichtiger denn je“.

Fleißig Themen abgearbeitet

Tatsächlich, bei aller Kritik an der „Lindenstraße“: An aktuellen, gesellschaftlich wichtigen und auch politischen Strömungen hat die Serie in mehr als drei Jahrzehnten nichts ausgelassen: Das Thema Aids griff sie schon Anfang der 80er auf, als es in vielen Köpfen noch gar nicht angekommen war. Der erste Schwulen-Kuss im deutschen Fernsehen gab 1990 einen Skandal. Und bis zuletzt arbeiteten Produzent und Drehbuchschreiber fleißig Gesellschafts-Themen ab: Rechtsradikalismus, Stalking, Internet-Hetze, Transsexualität, Medikamentenabhängigkeit, eheliche Untreue natürlich bis hin zu Mord und Totschlag.

Bei Kapitalverbrechen hat die „Lindenstraße“ allerdings schon immer gerne etwas dick aufgetragen: Unvergessen bleibt der „Bratpfannen-Mord“ aus dem Jahr 1995, als die kindliche Lisa den Ex-Priester Matthias Steinbrück mit einer Bratpfanne erschlug.

Trotzdem: Verglichen mit anderen Seifenopern konnte die „Lindenstraße“ mit öffentlich-rechtlicher Unterstützung immer einen gewissen Qualitäts-Standard halten. Und auch neuen Anforderungen hat sie sich willig geöffnet: Feste Schauplätze wurden verlassen, Jubiläumsfolgen auch mal live gesendet, monothematische Folgen ausprobiert.

Genützt hat alles nichts: Gestern hat der WDR das Aus des Dauerbrenners angekündigt. Nachrichtenagenturen war das Eilmeldungen wert. Immerhin verschwindet eine „Ikone des deutschen Fernsehens“ wie ARD-Programmdirektor Volker Herres sagte. Keine Serie lief länger im deutschen Fernsehen. Und ganz bestimmt wird das auch keine mehr tun.

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Erstellt:
17.11.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 35sec
zuletzt aktualisiert: 17.11.2018, 06:00 Uhr

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