Die Poesie des Unendlichen

Die Poesie des Unendlichen

Spielfilm-Biografie des indischen Zahlengenies Srinivasa Ramanujan, das Anfang des 20. Jahrhunderts alle Mathematiker verblüfft hat.

15.03.2016

Von Dorothee Hermann

Die Poesie des Unendlichen

Das Wunderkind ist schon ein bisschen älter: Im kolonialen Indien des Jahres 1913 fällt dem Buchhalter einer britischen Firma das außergewöhnliche Zahlen-Talent des jungen Srinivasa Ramanujan (Dev Patel aus „Best Exotic Marigold Hotel“) auf. Der 25-Jährige strebt nicht einfach nach einem besseren Job: Er schickt einen Brief voller Formeln an den renommierten Mathematikprofessor G.H. Hardy (ein über die Anforderungen der Rolle hinaus verknöchert wirkender Jeremy Irons) im englischen Cambridge – und erhält postwendend eine Einladung ans altehrwürdige Trinity College.

Wie in einem Fotoprachtband reihen sich die malerischen Collegegebäude vor einem auf, samt dem Wunder (für Ramanujan) von Cambridge im Schnee. Trotz seiner Genialität fällt der junge Inder durch alle Raster, ist weder Student noch anerkannter Wissenschaftler. An der Elitehochschule kann er sich nur unter extremer Selbstverleugnung behaupten.

Professor Hardy erweist sich als nüchtern-kalter Mentor, der sich darauf beschränkt, seinem Schützling das akademische Regelwerk einzutrichtern. Damit bedient das Biopic von Regisseur Matthew Brown einmal mehr das Klischee von der überbordenden südlichen Intuition, die auf die kühl kalkulierende Rationalität des Nordens trifft.

Leider kratzt die Hollywoodproduktion auch sonst nur an der Oberfläche. Der Film reproduziert das historische Cambridge mit den Reihen wertvoller Bücher in holzgetäfelten Räumen als gediegenen Herrenclub samt Kammerdiener. Der offene Rassismus, der Erste Weltkrieg und der Pazifismus als damals hochverdächtige Minderheitenposition werden nur angetippt – und ebenso die mathematischen Grenzgebiete, in die Ramanujan vorgedrungen ist.

Sein Mentor Hardy bleibt ein Zerrbild: allein, ohne Familie, ohne Religion, ohne Bindungen – was dem bekennenden Atheisten ausgerechnet sein Schützling Ramanujan entgegenschleudert.

Indisches Mathematikgenie als tragisches Opfer verkrusteter Elitestrukturen.

Zum Artikel

Erstellt:
15.03.2016, 16:52 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 50sec
zuletzt aktualisiert: 15.03.2016, 16:52 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.