Loßburg · Bürgermeister

Die Pressekonferenz als Online-Video

In Loßburg gibt es zwei Kandidaten zur Bürgermeisterwahl. Statt einer öffentlichen Vorstellung ging die Gemeinde coronabedingt einen neuen Weg.

28.11.2020

Von Dunja Bernhard

Kamerateam und Tontechniker sorgten für die nötige Qualität des Videos, das auf der Gemeindehomepage abrufbar ist.

Kamerateam und Tontechniker sorgten für die nötige Qualität des Videos, das auf der Gemeindehomepage abrufbar ist.

Besondere Zeiten erfordern besondere Vorgehensweisen. So hatte der Loßburger Gemeinderat beschlossen, dass eine öffentliche Kandidatenvorstellung für die Bürgermeisterwahl während der Corona-Pandemie nicht angebracht ist. Um gleiche Voraussetzungen für den im Ort bestens bekannten Amtsinhaber und seinen vor zwei Jahren nach Loßburg gezogenen Herausforderer zu schaffen, organisierte der Gemeindewahlausschuss eine Pressekonferenz, die ein Team der Freudenstädter Revo-Veranstaltungstechnik filmte. „Wenn wir die Kandidatenvorstellung mit einem Video machen, dann soll es auch professionell sein“, sagte Wahlleiter Gerd Maser. Das Video wurde gestern noch online gestellt.

Als Moderator stellt sich Oliver Wendel zur Verfügung. Der heutige Freudenstädter hatte bis vor kurzem in Loßburg gewohnt und war stellvertretender Bürgermeister gewesen. Als die Kameramänner und Tontechniker bereit waren, begrüßte er mit einem Blick in die Kamera die Loßburger Bürger. Doch das hinters Ohr geklemmte Mikrofon war noch nicht eingeschaltet. Beim dritten „Guten Tag“ war die kleine Panne behoben. Anschließend lief es reibungslos.

Während der jeweilige Konkurrent vor dem Ratssaal warten musste, hatten beide Bewerber 10 bis 15 Minuten Zeit sich vorzustellen. So sah es das Protokoll vor.

Christoph Enderle hatte ein fünfseitiges Manuskript mit Stichworten vorbereitet, an dem er sich entlang hangelte. Er sei auf 112 Projekte und Aufgaben gekommen, die es in den vergangenen acht Jahren wert waren, aufgeschrieben zu werden. Die Aufzählung ersparte er Pressevertretern und späteren Videoguckern. Er konzentrierte sich auf die Meilensteine: Breitbandausbau, Neubau- und Gewerbegebiete, Kinderhaus, Mensaerweiterung, regenerative Nahwärme- und Stromversorgung – sowie einen Ausblick.

„Alle Versprechen aus meinem Flyer von vor acht Jahren wurden umgesetzt, bis auf die Ortsumfahrung Loßburg“, resümierte er nach 20 Minuten Redezeit. „Ich werde das Beste geben, wenn man mich lässt“, versprach er den Loßburgern.

Bei einer öffentlichen Veranstaltung wäre jetzt Applaus zu hören gewesen. Der fehlte.

Alexander Kebeck sprach frei. Am 30. Oktober um 10.45 Uhr habe er seine Bewerbung abgegeben, begann er. „Für ein großes Amt.“ Kebeck, der bei den Großeltern aufwuchs, sieht in seinem Großvater Ideal und Mentor. Dieser war 30 Jahre Bürgermeister und acht Jahre stellvertretender Landrat.

Die Zeit bei den Großeltern bezeichnet Kebeck als „großes Glück vom Herrgott“. Dennoch zog er zuhause mit 17Jahren aus. Die erste Ausbildung brach er ab – da hatte er schon für Schwarzgeld gearbeitet. Er erzähle das, weil er für Transparenz sei. Mit 19 Jahren ging er nach Berlin und machte sich im Marketing selbstständig. „Ich war jung, naiv, aber damals schon redegewandt.“ Er habe viel Geld verdient aus einer Zwei-Zimmer-Wohnung heraus und immer gewusst: „Wenn du sympathisch bist und dir treu bleibst, dann gewinnst du dein Gegenüber für dich.“ Bei seiner Bewerbung zum Bürgermeister könne er nicht mit Ausbildung und Hard Skills glänzen. „Ich kann, und das ist das stärkste, mit meiner Persönlichkeit überzeugen und im Rathaus die Mitarbeiter für mich gewinnen“, ist Kebeck überzeugt.

Nach der eigenen Vorstellung mussten sich die Bewerber vorab von Bürgern eingegangenen Fragen stellen zu Windkraft, Zentralisierung von Kinderbetreuung und Seniorenwohnen, Radwegenetz, Ortsumfahrung, Ortskerngestaltung, günstigem Wohnraum und Ladenleerstand.

Anschließend war die Presse dran. Eine Interessengruppe hatten eigenständig eine Stellenanzeige im Staatsanzeiger aufgegeben: „Bürgermeister im Nordschwarzwald gesucht!“ mit korrektem Verwaltungshandeln, dynamischem Wirtschaftsweitblick und einem Händchen für Stadtplanung. Anonym ging diese Information der SÜDWEST PRESSE zu mit der Erklärung, dass einige Bürger mit der ruppigen und rücksichtslosen Art von Bürgermeister Enderle unzufrieden sind. „Was antworten Sie diesen Menschen?“, wollten wir wissen. Er würde gern mit diesem Menschen ins Gespräch kommen, antwortete der Bürgermeister. „Anstatt hier anonym aufzutreten.“ Er finde es schade, dass Loßburg in Misskredit gebracht werde. Mitarbeiter hätten angeboten, dem in Leserbriefen entgegenzutreten. Er habe davon abgeraten, weil das so aussehen könnte, als habe er sie dazu veranlasst.

Enderle wohnt mit seiner Frau und vier Kindern in Hörschweiler, wo er aufgewachsen ist. Die SÜDWEST PRESSE wollte wissen: „Ist es nicht ungewöhnlich, dass der Bürgermeister nicht in seiner Dienstgemeinde wohnt?“ Er habe vor acht Jahren frisch gebaut gehabt und könne sich einen Umzug auch nicht leisten. Als weitere Beispiele nannte er die Bürgermeister von Pfalzgrafenweiler und Sulz-Vöhrigen.

Manfred Hauser, Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses, lobte die Kandidaten-Präsentation. Sie könne Beispiel geben für andere Gemeinden. „Wir haben die Öffentlichkeit hergestellt“, sagte er. An die Loßburger appellierte er – den Blick in die Kamera gerichtet: „Gehen Sie zur Wahl.“

Siehe auchden Kommentar zur Bürgermeisterwahl.

Die Pressekonferenz als Online-Video
Die Pressekonferenz als Online-Video
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6100 zur Wahl aufgerufen

6100 Loßburger sind am 13. Dezember aufgerufen, einen Bürgermeister zu wählen. Bis gestern Mittag hatten 900 Wahlberechtigte Briefwahl beantragt.

Das Video von der Kandidatenvorstellung ist über den Link https://player.vimeo.com/video/484314006 oder auf www.lossburg.de abrufbar.

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Erstellt:
28.11.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 28.11.2020, 01:00 Uhr

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