Sportvereine sind vom neuen Solidarpakt nur bedingt begeistert

Die Richtung stimmt, aber mehr wäre besser

Sportvereine erhalten ab 2017 durch den kürzlich abgeschlossenen Solidarpakt deutlich mehr Geld. Doch insbesondere die Bürokratie bereitet kleinen wie großen Vereinen Kopfzerbrechen.

04.01.2016

Von Andreas Straub

Damit Anschaffungen wie etwa Matten für den Kampfsport unterstützt werden, dürfen sie nicht über 5000 Euro kosten. Archivbild: Straub

Damit Anschaffungen wie etwa Matten für den Kampfsport unterstützt werden, dürfen sie nicht über 5000 Euro kosten. Archivbild: Straub

Rottenburg. Im November haben die baden-württembergische Landesregierung und der organisierte Sport den sogenannten Solidarpakt III besiegelt. Von 2017 bis 2021 stehen insgesamt 87,5 Millionen Euro mehr für die Sportförderung zur Verfügung.

Die Übungsleiterpauschale etwa wird von 1,80 Euro auf 2,50 erhöht. „Keine Frage: Die deutliche Anpassung ist ein gutes Ergebnis. Allerdings ist sie auch das Minimum dessen, was der Sport braucht, um ihm neu übertragene gesellschaftliche Aufgaben erfolgreich zu bewältigen“, sagt der Chef des Württembergischen Landessportbunds, Klaus Tappeser, der das Abkommen mit ausgehandelt hat. Der Solidarpakt sei eine solide Basis, löse aber nicht alle Probleme. Insbesondere müsse der Bau von Sportstätten stärker gefördert werden. Auch stelle das Mindestlohngesetz die Vereine vor neue Probleme. Sportvereine, fordert Tappeser, müssten davon ausgenommen werden.

Der TV Rottenburg (TVR) ist mit dem neuen Solidarpakt zufrieden. „Die Richtung stimmt, auch wenn es mehr sein sollte“, sagt Vorstand Klaus Maier. Das Abkommen bringe fünf Jahre Planungssicherheit. „Das ist die erste signifikante Steigerung seit den 60er Jahren“, ergänzt TVR-Geschäftsführer Norbert Vollmer. Jahrelang seien Kosten für Unterhalt, Personal und externe Dienstleister gestiegen, die Sportvereine hätten jedoch nicht mehr Geld erhalten. „Jetzt gibt es erstmals nennenswert mehr“, sagt Vollmer. „Wir sind dankbar für diesen Verhandlungserfolg.“

Keine Unterstützung bei kleinen Anschaffungen

Jedoch würden weiter nur Sportgeräte mit Anschaffungskosten von 2000 bis 5000 Euro gefördert. Kleinere Anschaffungen, beispielsweise Bälle, oder auch größere, wie Mattensätze für den Kampfsport, würden nicht unterstützt. Auch für Neubauten sei die Förderung zu gering. „Die Zuschüsse müssen höher werden“, fordert Vollmer. In der Praxis erhielten Vereine oft nur 10 Prozent der Kosten vom Land. Da sie wegen ihrer Gemeinnützigkeit nur begrenzt Rücklagen bilden dürfen, ist das Eigenkapital oft dünn. Etliche Projekte könnten deshalb nicht finanziert werden.

Dass Übungsleiter ab 2017 mehr Geld erhalten, hilft dem TVR. Wöchentlich sind rund 100 Übungsleiter im Einsatz. Maximal 200 Stunden können pro Übungsleiter abgerechnet werden. Dadurch kommt, trotz des relativ niedrigen Verrechnungssatzes von 2,50 Euro, eine erkleckliche Summe zusammen. „Das brauchen wir auch zur Finanzierung“, sagt Vollmer. Der TVR bezahlt seine Übungsleiter nach Lizenzstufen, wie Maier berichtet. „Wer eine Turngruppe leitet, erhält natürlich weniger als jemand, der die Erste Volleyballmannschaft trainiert.“

Finanziert werden müssen auch Angebote an Schulen. Derzeit hat der TVR 33 solcher Kooperationen laufen. So kommen die Grundschulkinder der Hohenbergschule einmal pro Woche in die Bewegungslandschaft im Sportpark. An der Kreuzerfeld-Realschule gibt es ein Tanzangebot. „Wir finden allerdings nur im Glücksfall Ehrenamtliche für diese Tätigkeiten, da sie meistens tagsüber sind.“

Um die Kooperationen zu betreuen, hat der TVR eine Personalstelle eingerichtet, die von der Stadt kofinanziert wird. „Für die Übungsleiter ist das eine ganz andere Herausforderung“, erklärt Maier. Während zum Vereinsport normalerweise Leute kämen, die das von sich aus wollten, sei die Motivation an den Schulen „unterschiedlich“.

Nicht nur die großen, auch kleine Vereine brauchen die zusätzlichen Mittel. „Diese Erhöhung ist sehr gut“, sagt Frank Wachendorfer, Vorsitzender des SV Wurmlingen. Für seinen Verein bedeute sie etwa 1000 Euro zusätzlich im Jahr. „Das wurde auch Zeit nach über 50 Jahren“, findet Wachendorfer. Gerade für kleinere Vereine müsse aber endlich die Bürokratie abgebaut werden. „Wir ersaufen in Vorschriften und Formularen. Das muss vereinfacht werden, sonst vertreiben wir die Leute aus dem ehrenamtlichen Engagement mit Papierkram“, sagt Wachendorfer.

Beispielsweise müsse jetzt Buch geführt werden, wer wie lange im vom Verein selbst geführten Sportheim arbeitet. Wachendorfer versteht das nicht: „Wir machen das von uns aus. Was soll das?“

Bürokratie macht das

Engagement zunichte

„Das war ein Gesetz mit der Schrotflinte“, sagt Vollmer vom TVR. Sportvereine seien dadurch „unerfreulich berührt“. Wegen der Dokumentationspflicht müssten seit Januar 2015 die Übungsleiter wöchentlich Stundennachweise führen. Ein Trainer habe ein Pfingstlager nicht betreuen können, weil seine Freigrenze für Aufwandsentschädigungen, die nicht unter den Mindestlohn fallen, bereits ausgeschöpft war. „Bei Übungsleitern ist die ideelle Motivation größer als die finanzielle“, sagt Vollmer. „Solche Bürokratie macht ehrenamtliches Engagement kaputt.“