Die Überglücklichen

Die Überglücklichen

In der Komödie fliehen zwei Frauen aus der Psychiatrie, um auf einer Reise durch die Toskana die Ursachen ihrer Krisen zu ergründen.

30.09.2016

Von Klaus-Peter Eichele

In der Toskana ist alles ein bisschen schöner, sogar die Psychiatrie. Die Klinik, anfänglicher Schauplatz des Films von Paolo Virzì („Süße Gier“), liegt idyllisch auf einem alten Landgut. Innerhalb der Mauern herrscht ein vergleichsweise liberales Regime, unter dem sich die Patientin Maria (Valeria Bruni Tedeschi) folgenlos als Oberaufseherin aufspielen oder zum Jetset-Promi stilisieren kann. Tatsächlich leidet sie an einer bipolaren Störung, deren Folge-Eskapaden ihre großbürgerliche Familie bewogen haben, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Ganz anders gestrickt ist die frisch eingewiesene Donnatella. Die junge Frau (Micaela Ramazzotti) kommt aus zerrütteten familiären Verhältnissen und hat sich als Stripperin durchs Leben geschlagen. Jetzt ergibt sie sich still ihrer Depression, während die andere mit aufgekratztem Größenwahn dem Eingesperrtsein trotzt.

Mit ihrer manipulativen Art bringt Maria ihre Mitpatientin dazu, gemeinsam das Weite zu suchen – „um das Glück zu finden“, wie sie großspurig verspricht, dabei aber vor allem ihr eigenes im Auge hat. Im Bus, per Anhalter und im geklauten Auto driftet das ungleiche Gespann zunächst ziellos durch die Toskana. Es folgen Konfrontationen mit beider Vergangenheit, ehe die Flucht eine eindeutige Richtung bekommt: Donatella will ihren Sohn wiedersehen, der ihr nach einem erweiterten Suizidversuch weggenommen wurde.

Traumwandlerisch sicher kombiniert Regisseur Virzì die schelmenkomödiantischen Aspekte des Ausbruchs mit dem ernsthaften Blick auf die psychischen Krisen, in der sich die Frauen befinden. Oft regiert der Witz, wenn die egomanische Quasselstrippe und das in sich gekehrte Nervenbündel im Edelrestaurant die Zeche prellen oder Maria einen Bankdirektor, der ihr kein Geld leihen will, zur Schnecke macht. Parallel kommen aber auch die üblen Vorgeschichten sowie familiäre und gesellschaftliche Verhältnisse, die Menschen in den Wahnsinn treiben, zum Vorschein. Atmosphärisch lässt sich Virzì von den sprunghaft wechselnden Stimmungen seiner Protagonistinnen, die einander mal ganz nah, dann wieder vollkommen fremd sind, leiten.

Letzten Endes erweist sich die Flucht in die vermeintliche Freiheit als heilsame Angelegenheit. Auf nicht immer angenehme Art und oft unbewusst helfen die Schicksalsgefährtinnen einander, tief in sich hineinzuschauen, verdrängten Gefühlen auf die Spur zu kommen und ihr Verhalten auf den Prüfstand zu stellen. Anders als viele Filme ähnlichen Strickmusters spielt Virzì Selbsttherapie und Psychiatrie jedoch nicht gegeneinander aus – beides hat in der Lesart des Films seinen Nutzen. „Die Überglücklichen“ ist das Paradox eines der Wirklichkeit verpflichteten Wohlfühlfilms.

Zwei Frauen finden auf der Flucht aus der Psychiatrie zwar nicht das Glück, aber vielleicht den Schlüssel zur Heilung.