Stammtisch-Serie: Auf ein Bier (2)…

Die beste Wurst von allen

Seit zehn Jahren frönen sie im „Steiglehof“ auf dem Hohenberg nicht nur dem Bier: Die Männer vom Schwarzwurst-Stammtisch.

18.08.2018

Von Kathrin Kammerer

Schwarzwurst-Stammtisch im „Steiglehof“ (von links): Gert Held, Gerhard Munding, Hans Oberle, Henry Teufel, „Alo“ Rasch, Kurt Hammer, Werner Gsell, Uli Oswald, Manfred Bok(mit Schwarzwurst), Hermann Sinnwell und Franz Ganter. Bilder: Kuball

Schwarzwurst-Stammtisch im „Steiglehof“ (von links): Gert Held, Gerhard Munding, Hans Oberle, Henry Teufel, „Alo“ Rasch, Kurt Hammer, Werner Gsell, Uli Oswald, Manfred Bok(mit Schwarzwurst), Hermann Sinnwell und Franz Ganter. Bilder: Kuball

Man kann die Uhr danach stellen: Punkt Fünf (also gleich, wenn der „Steiglehof“ öffnet) ist der Stammtisch gut besetzt. Wirtin Gundula Bauer reicht den zehn Männern die Platten über die Theke, um die sich hier (fast) alles dreht. Zwei silberne Teller, auf denen sich Käsewürfel, Tomaten, Essiggurken und Schinken türmen. Und das wichtigste: Schwarzwurst!

Das Essen wird am oberen und am unteren Ende des Tisches abgestellt, zwischendrin glänzt das goldene Stammtisch-Schild neben einem kleinen Blumenstrauß. Die Besucherin von der Presse darf den ersten Happen von der heutigen Platte nehmen – schließlich ist sie die einzige, die man in dieser Runde überhaupt noch davon überzeugen muss, dass hier die beste Wurst von allen auf dem Tisch liegt. Die zehn Männer kommen schon jahrelang jeden Mittwoch.

„Wenn sich fremde Leute an den Nebentischen setzen, dann schauen die immer ganz interessiert auf die Platte“, sagt Manfred Bok. „Meistens bekommen sie dann au a Rädle Wurst ab.“ Manfred Bok und Hans Oberle haben ein rotes T-Shirt an. Auf der Brust prangt, wie soll es auch anders sein: eine Schwarzwurst. Eigentlich haben fast alle ein solches Shirt, sagt Bok. Er hat das organisiert. Aber es sei jetzt keine Pflicht, dieses Bekenntnis zur schwarzen Wurstspezialität auch wirklich bei jedem Mittwochs-Stammtisch zu tragen.

Jede Woche bringt ein anderer Stammtischler eine neue Schwarzwurst mit. „Der größte Exot war mal eine Wurst aus Teneriffa“, sagt „Alo“ Rasch. Das Fazit der kundigen Tester zu der spanischen Wurst-Variante? „Die war nicht besonders gut, da war ein komisches Gewürz drin.“ Aber was macht dann eine besonders gute Schwarzwurst aus? Das scheint ziemlich umstritten zu sein: „Da gehen die Geschmäcker weit auseinander“, sagt Franz Ganter. „Die einen mögen es pfeffrig, die anderen weniger stark gewürzt.“ Manfred Bok hebt immerhin einen unschlagbaren Vorteil hervor: „Schwarzwurst hat weniger Kalorien als Salami, die ist gesünder!“

Uli Oswald betritt den Gastraum. Sofort stehen vier Stammtischler auf. „Mein Platz ist in der Ecke“, sagt Oswald, lacht und rutscht auf der Eckbank nach hinten durch: „Die Kleinsten kommen in die Ecke.“ Es ist im „Steiglehof“ also auch nicht anders, als bei anderen Stammtischen: Alles hat seine feste Ordnung.

Und das schon seit vielen Jahrzehnten: Der Ursprung dieser wöchentlichen Zusammenkunft? Da muss „Steiglehof“-Wirt Michael Bauer weit ausholen. Seine Großmutter betrieb einst einen Bauernhof, oben, auf dem Horber Hohenberg. Dann begann sie, parallel zur Landwirtschaft, für die regelmäßig vorbeifahrenden Lastwagenfahrer der Hohenberg-Kaserne zu kochen. Die Bewohner der nahegelegenen Kreuzerstraße bekamen Wind davon – „und wollten natürlich auch zum Essen und Trinken kommen“, erzählt Michael Bauer.

Damals gab’s für die Bewohner des Hohenbergs noch keine andere Möglichkeit zur Einkehr – und so entstand der „Kreuzer“-Stammtisch. Wirt Bauer zeigt alte Bilder, auf denen ein gutes Dutzend Männer – alle im Anzug – lachend um denselben Tisch wie heute sitzt. Im Hintergrund: Immer noch derselbe Ofen wie heute.

Und wie kamen die „Kreuzer“ schließlich zur Wurst? Das ist nochmal so eine Geschichte, sagt Stammtisch-Mitglied Franz Ganter: Der mittlerweile verstorbene Stammtischler „Günne“ Großmann sei immer nach Kayh gefahren, um dort Schwarzwurst zu kaufen. „Was ist denn an der Wurst so besonders?“ hätten die anderen Stammtischler ihn irgendwann gefragt, erinnert sich Ganter. Also brachte „Günne“ Großmann die Kayh’er Wurst kurzerhand mit nach Horb zu seinen Freunden. Die Runde war begeistert vom Probier-Ring und der Schwarzwurst-Treff geboren.

Das schönste an diesem Stammtisch (selbstverständlich neben der geliebten Wurst): „Man redet hier übers Ortsgeschehen, über alles mögliche – aber kaum über Politik“, sagt Henry Teufel. Und sie haben sogar ein Lied, die Männer vom „Steiglehof“: das „Loblied auf unsere Schwarzwurst“. Wie wärs mit einem Ständchen? „Geht net, unser Gitarrist Gerhard fehlt.“

Der Eutinger Sänger Werner Gsell widerspricht empört: „Mir werdet doch wohl des Lied könne!“ Wirt Michael Bauer reicht eine Klarsicht-Folie mit gelben Textzetteln über die Theke, Franz Ganter teilt sie aus. Wie war nochmal die Melodie? „Na, Auf der Schwäbschen Eisenbahn“, ruft Gert Held. Und dann singen sie los: „Die Stimmung wächst, man trinkt und isst, und alle Sorgen man vergisst. Genießer denken stets auf’s Neu: Meinem Schwarzwurst-Stammtisch bleib ich treu.“

Hermann Sinnwell (79) ist seit 40 Jahren dabei und somit der Stammtisch-Senior. „Schnaps trinken wir hier nicht, nur Bier“, sagt er. Um halb sieben stehen die ersten Männer auf und zahlen bei Wirtin Gundula. Zwei Stunden reichen, da sind sie sich einig: „Die optimale Stammtisch-Zeit.“

Die beste Wurst von allen
Michael und Gundula Bauer haben den „Steiglehof“ 2015 vonseiner Mutter Marianne übernommen. Diese hatte die Wirtschaftzuvor 39 Jahre geführt.

Michael und Gundula Bauer haben den „Steiglehof“ 2015 von seiner Mutter Marianne übernommen. Diese hatte die Wirtschaft zuvor 39 Jahre geführt.

Drei Fragen an den Wirt

Wer ist im „Steiglehof“ zu Besuch?

Wir haben viele Übernachtungsgäste, aber eben auch Horber, die schon lange und gerne kommen.

Wenn ich für eine Stunde vorbei kommen würde – was würden Sie mir empfehlen?

Unser Tagesessen. Und im Sommer einen fruchtigen Weißwein.

Was steht bei Ihnen auf dem Tisch, wenn sie eine Pause machen?

Ein Apfelschorle. Und wir machen oft Resteessen – dann gibt es halt das, was übrig geblieben ist.

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Erstellt:
18.08.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 18.08.2018, 01:00 Uhr

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