Horb

Die gleißende Sonne des Südens interessiert keine Sau

21.03.2018

Von hat die Wahl zur Miss Mutig gewonnen

Missmutig stehe ich vor dem Kleiderschrank. Der Blick schweift sehnsuchtsvoll zu den Sommerkleidern, Blusen und kurzen Röcken. Missmutig blicke ich aus dem Fenster. Unverschämt, denke ich. Frühlingsanfang – und dann so was. Schnee klebt auf den Dächern, auf den Bäumen, auf den Wegen. Schneeflocken rieseln vom Himmel. Zurück zum Kleiderschrank. Missmutig fische ich eine lange Hose und einen Strickpuller heraus. In Grau. So wie das Wetter draußen. Bäh.

Übellaunig begebe ich mich nach draußen. Dick vermummt mit Mütze, Mantel, Schal und Stiefel. Griesgrämig wanke ich durch den Tag. Ertrage erbittert die Temperaturen im Minusbereich. Erhasche verdrossen einen Blick auf die Wettervorhersage: Weitere Schneeflocken. Sinniere darüber nach, wie viele Synonyme es für missmutig gibt. Bärbeißig gefällt mir besonders gut. Genau so fühle ich mich.

„Jammerlappen“, mag jetzt der eine oder andere denken. Das bisschen Kälte ist doch kein Problem. Bald genug ächzt man wieder unter der Hitze, mault über stickige Luft und lauwarmen Sprudel. Doch ich habe den Frühling schon gefühlt: Zehn Tage lang saß ich unter der Sonne Israels, bewunderte die blühenden Blumenteppiche, lief am Strand entlang und steckte meine Füße ins Meer. Und nun das. Graues Schmuddelwetter, erfrorene Primeln, gefütterte Stiefel.

Das Schlimmere ist vielleicht gar nicht die Kälte. Sondern das Mitleid, das mir vorenthalten wird. In meiner Naivität habe ich geglaubt, dass meine Mitmenschen mich bedauern würden. Schnatternd sitze ich jetzt unter Freunden und zeige meine Fotos vom Strand. Von der gleißenden Sonne. Vom blauen Himmel und dem türkisfarbenen Meer. Von glücklichen Augenblicken.

Und was bekomme ich zu hören? „Warum soll es dir besser
gehen als uns?“, fragt mich der Kumpel. Um gleich nachzusetzen. „Warum musst du auch unbedingt am letzten Urlaubstag im Meer rumspazieren?“ Ja, warum eigentlich?

Beim Wort „Sonne“ zucken die Kollegen zusammen. 25 Grad? Sie werfen mir böse Blicke zu. Blicken missmutig aus dem Fenster. Drehen den Heizkörper nach oben.

Die Familie wirft einen höflichen Blick auf die Strandfotos. Aha, das also ist Tel Aviv. Oh, du hast deine Füße im Meer fotografiert? War es da tatsächlich so warm? Wo kann man auf deinem Smartphone eigentlich weiterwischen?

Missmutig blicke ich inzwischen selbst auf meine Urlaubsfotos. Warum musste ich am letzten Tag unbedingt noch an den Strand? Hättest du dir nur Stiefel gekauft! Damit könntest du jetzt angeben …