Hintergrund

Die neue Arbeit zwischen Firma und Zuhause

Claudia Scheel hat ihr Monatsziel erreicht, ihr erstes Youtube-Video ist fertig. Die Kommunikationswissenschaftlerin baut auf der Plattform – Corona ruft – einen Kanal über E-Learning auf.

16.01.2021

Von Katharina Schmidt

„Eine Menge Arbeit hinter so einem kleinen Video“, sagt sie etwas erschöpft. Um sich auf ihr Projekt zu fokussieren – eigentlich lebt die Baden Württembergerin mit ihrem Freund in einem Van – verbringt sie im „Coconat“ im brandenburgischen Klein Glien einen Arbeitsurlaub, der „Workation“ genannt wird, weil in der neuen Arbeitswelt eigentlich alles auf Englisch hört und funktioniert.

Das Land lockt Digital-Arbeiter

Digitale Nomaden wie Claudia Scheel, die von überall aus im Land tätig sein kann, zieht es zunehmend aufs Land. Unterschlupf findet sie in Herbergen wie dem Coconat. In dem alten Gutshaus kann vom Schreibtisch bis zum Schlafzimmer alles angemietet werden. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie strömen dorthin auch herkömmliche Angestellte. Es handelt es sich um ortsansässige Pendler, die des Homeoffice überdrüssig geworden sind – ein von Corona beförderter Trend.

Doch der Reihe nach. Die Kurzzeitmieter im Coconat arbeiten nach dem Prinzip des Coworkings – also gemeinsam, aber nicht miteinander. Dies ist eigentlich ein Phänomen der Großstadt und vor allem in der Gründerszene verbreitet. Junge Unternehmer mieten einzelne Schreibtische in sogenannten Coworking-Häusern an, um Ersparnisse bei der Gewerbemiete in ihre Firmen-Idee zu stecken. Allerdings ruinieren die steigenden Mietpreise in den Städten sehr oft die Kalkulation.

„Auf dem Land gibt es generell mehr Platz und Spielraum, um sich auszuprobieren und eigene Projekte zu verfolgen“, erklärt Nicole Dau von Coworkland. Die Genossenschaft hat sich vor zwei Jahren gegründet, um Coworking in der Provinz zu unterstützen. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat das Netzwerk im gesamten Bundesgebiet 142 Einrichtungen wie das Coconat gezählt. In der gemeinsamen Studie „Coworking im ländlichen Raum“ sprechen die Herausgeber zwar von einem Nischenthema, doch geschehe auf dem Gebiet seit Pandemie-Beginn ein Quantensprung.

Die Corona-Sorgen zwangen viele Unternehmen dazu, ihre Angestellten, wenn möglich, zu Hause arbeiten zu lassen. Viele sahen sich nun mit dem neuen Alltag des Homeoffice konfrontiert – doch wurden viele dem auch sehr schnell müde.

Der Homeoffice-Frust

Für die Überdrüssigkeit führt die Studie vier Ursachen an: Der Mangel an sozialen Kontakten, eine fehlende Grenze zwischen Arbeit und Privatem, Ablenkung durch Familien- und Haushaltsverpflichtungen sowie eine nur unzulängliche technische Ausstattung. Einige der Betroffenen lösten das Problem, indem sie sich in nah gelegenen Coworking-Spaces wie dem Coconat einquartierten. Das bestätigt Mitbetreiberin Julianne Becker. Sie und ihre Kolleginnen beherbergen neben Urlaubsarbeitern wie Claudia Scheel auch Angestellte aus der Umgebung. „Die Corona-Pandemie hat das Coworking bei uns vorangetrieben“ freut sich Becker,.

Zu den Profiteuren des Trends zählt sich auch Dominik Groenen. Er ist Gründer der Kette Orangery, die nur in kleineren Städten wie Hildesheim oder Hameln Coworking anbietet. „Seit Corona fragen immer wieder Firmen bei uns an, da auf ihren Büroflächen nicht die Kapazität besteht, den Mindestabstand zwischen den Arbeitsplätzen einzuhalten.“ Ein Tisch kostet 450 Euro monatlich, Meeting-Räume und Kaffee inklusive.

„Für Unternehmen werden Satelliten-Büros in Form von Coworking Spaces ein wichtigeres Thema. Statt ins Hauptbüro zu pendeln, sucht sich der Angestellte einen nah gelegenen Coworking-Space. Das kann finanziell sogar günstiger für den Arbeitgeber sein“, so Nicole Dau von Coworkland. Dies würde auch die Frage des Arbeitsschutzes regeln, der im Homeoffice nicht gewährleistet sei.

Pendeln bald überflüssig?

Könnte das Pendeln bald überflüssig werden? Die Chancen sind zumindest da. Laut Bertelsmann-Studie wird das durch starre, innerbetriebliche Regelungen gehindert. Die neuen Möglichkeiten beschränkten sich häufig nur auf das Homeoffice, „nicht aber auf die breiter angelegte Erlaubnis, mobil, also an sehr unterschiedlichen Arbeitsorte, zu arbeiten“, schreiben die Herausgeber. Doch sei das Homeoffice gekommen, um zu bleiben genau wie das Coworking.

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Erstellt:
16.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 16.01.2021, 06:00 Uhr

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