Betriebsübergabe

Die neuen Hirten von Talheim

Die Brüder Valentin und Konstantin Thierer übenehmen die Schäferei Pfeffer. Die beiden betreiben ihre Berufe mit viel Leidenschaft.

16.12.2017

Von Dagmar Stepper

Konstantin Thierer (links) und sein Bruder Valentin lieben die Natur und Tiere. Die Schäferei in Talheim mit ihren rund 500 Mutterschafen und Lämmern ist für die beiden Nagolder ein Glücksfall. Dafür ziehen sie auch gerne um. Bilder: Kuball

Konstantin Thierer (links) und sein Bruder Valentin lieben die Natur und Tiere. Die Schäferei in Talheim mit ihren rund 500 Mutterschafen und Lämmern ist für die beiden Nagolder ein Glücksfall. Dafür ziehen sie auch gerne um. Bilder: Kuball

Die Hirten bei ihren Schafen. Es ist ein biblisches Motiv, ein tröstendes Bild. Die Psalmen singen davon, Weihnachten lebt davon. Die Hirten auf dem Felde mit ihren Schafen, die als erstes von der Geburt Christi erfuhren. Die den Heiland suchten und ihn in einer Krippe im Stall finden.

Szenenwechsel: Valentin (22) und Konstantin Thierer (20) stehen in einer Schafherde in einem Stall in Talheim. Die Tiere blöken vertrauensvoll. Die Tiere haben keine Angst vor den hochgewachsenen Naturburschen. Die beiden Brüder sprechen leise mit den Schafen. Sie wissen, was sie tun. Die Arbeit mit wollknäulartigen Vierbeinern liegt ihnen. Die beiden werden von Kornelia Pfeffer wohlwollend dabei beobachtet. Die Menschen sind zufrieden, die Tiere sind es auch. Es ist ein archaisches, ein beruhigendes Bild in den modernen, schnelllebigen Zeiten. Manches ändert sich auch in tausenden von Jahren nicht.

Übergabe am 1. Januar

Doch wir sind nicht im Stall, um nostalgische Momente hervorzurufen. Das Ehepaar Pfeffer und die Brüder Thierer haben zum Gespräch geladen. Es geht ums Geschäft: Nach über 40 Jahren Schäferdasein gibt Ernst Pfeffer (60) seinen Betrieb ab dem 1. Januar an Valentin und Konstantin Thierer ab. Er hätte noch ein wenig weitermachen können. „Aber wenn man so engagierte Nachfolger gefunden hat, dann kann man nicht noch fünf Jahre warten“, sagt seine Frau Kornelia.

Die Thierer-Jungs sind begeisterte Schäfer und Landwirte. Sie stammen aus Nagold, ihre Mutter ist die Häfele-Chefin Sibylle Thierer. Die beiden wollten nicht in die Fußstapfen ihrer Mutter treten, die ein weltweit agierendes Unternehmen leitet. Sie orientierten sich eher am Vater, der Diplom-Agrarwirt ist, und jahrelang einen kleinen Vorzeige-Bauernhof hatte. Valentin hatte mit 13 Jahren seine ersten Schafe. Auf der Schwäbischen Alb und in Altensteig hat er Schäfer gelernt. Drei Monate war er als Schäfer in Australien unterwegs. Vor einem Jahr hat er seine Lehre abgeschlossen. Eindeutig sein Traumberuf. „Es ist die Arbeit in der Natur, die Abwechslung, was mich fasziniert. Und man ist sein eigener Chef“, sagt er. Sein Bruder Konstantin ist gerade noch in der Ausbildung zum klassischen Landwirt. Die beiden ergänzen sich optimal: Valentin als Spezialist für die Tiere, Konstantin als Kenner des Ackerbaus und der Maschinen.

Vor vier Jahren haben sich die Thierers und die Pfeffers über einen Bekannten kennen gelernt. „Dass wir uns gefunden haben, ist einfach super“, sagt Ernst Pfeffer. Er war im gleichen Alter wie Konstantin, als er die Schäferei von seinem Vater übernommen hat. Auch sein Großvater war Schäfer, wanderte mit den Tieren bis nach Paris. Das hat sich später geändert, in den 60-Jahren zogen die Schäfer nicht mehr so weit umher. „Der Verkehr“, sagt Pfeffer nur. Die Runden wurden kleiner, die Schafe kamen auf die Weiden in der Umgebung.

Als Schäfer fast nie Feierabend

Valentin Thierer kennt das Wandern. Er wird auch auf die Herbstweiden ziehen. Die Thierers haben knapp 50 Hektar Flächen in Nagold und auf dem Egenhäuser Kapf, die sie zusätzlich zu den 100 Hektar großen Weiden von Pfeffer nutzen werden. Rund 500 Schafe hat Pfeffer, diese Zahl wollen sie beibehalten. Die Brüder ziehen auch ins Wohnhaus der Pfeffers, so sind sie direkt vor Ort. Als Schäfer ist man fast nie außer Dienst. Abends können Lämmer auf die Welt kommen, Tiere können krank werden. Aber auf den Feierabend schielen die beiden nicht. Sie wissen, auf was sie sich einlassen.

Die beiden werden die Schäferei fortführen wie bisher, den Hofladen wird es weiterhin geben. Das Futter stellen sie selbst her, die Felder werden zwar nicht nach Biorichtlinien bewirtschaftet, aber es werden kein Kunstdünger und keine Pestizide eingesetzt. „Bei uns kommt kein Glyphosat auf die Felder“, sagt Valentin. „Nur mit selbst angebautem Futter entgeht man jedem Skandal“, ergänzt Pfeffer. Die Brüder planen aber auch Neues: Gänse tummeln sich bereits im Stall in Talheim, Hühner und Mutterkühe sollen sich dazugesellen. Sie wollen Freilandeier verkaufen, eventuell auch Fleisch. Vielleicht kommt noch mehr dazu. Aber zuerst müssen sie sich einarbeiten und einleben. Perfekt ist, dass sich die beiden sehr gut verstehen und sich auch gegenseitig vertreten können. Dann kann einer auch mal Urlaub machen.

Zufriedenheit auf beiden Seiten

„Die beiden passen zusammen wie Jacke und Hose“, sagt Ernst Pfeffer. Ihm ist die Freude über die Nachfolger anzusehen. Er hat vier Kinder, aber keins wollte den Betrieb übernehmen. Die Thierer-Brüder dagegen haben lange nach einem Hof gesucht. Beide Parteien sind also mehr als zufrieden. Schäferei-Thierer wird es in Talheim künftig heißen.

Fällt Ernst Pfeffer das Aufhören schwer? Diese Frage stellt sich zum Schluss. Das Ehepaar gibt den Hof ab, zieht aus ihrem Haus aus. Doch Pfeffer lacht. Er ist ja noch in der Nähe. Außerdem wird die Familie weiterhin beim Hofladen oder den Festen helfen. Vor allem ist er aber beruhigt, dass er die perfekten Nachfolger gefunden hat. Valentin Thierer lächelt ebenfalls: „Du bist zufrieden und wir sind es auch.“

Kornelia und Ernst Pfeffer können lächeln, obwohl sie sich zurückziehen. Aber sie glauben, die perfekten Nachfolger gefunden zu haben.

Kornelia und Ernst Pfeffer können lächeln, obwohl sie sich zurückziehen. Aber sie glauben, die perfekten Nachfolger gefunden zu haben.