Freundenstadt/Pforzheim

Die schwierige Suche nach Recht und Wahrheit

Justiz Die Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH wollte einer Personalrätin kündigen. Dieses Vorhaben führte vor das Arbeitsgericht Pforzheim und endete dort mit einem Vergleich.

17.08.2019

Von Hannes Kuhnert

Krankenhaus Freudenstadt. Archivbild: Monika Schwarz

Krankenhaus Freudenstadt. Archivbild: Monika Schwarz

Ein Vergleich mit dem Stempel „einvernehmlich“ beendete jetzt vor dem Arbeitsgericht in Pforzheim eine Auseinandersetzung zwischen den Krankenhäusern Landkreis Freudenstadt gGmbH (KLF) und einer Arbeitnehmerin, die seit über 20 Jahren qualifiziert beim Krankenhaus beschäftigt ist.

Ihr Arbeitgeber warf ihr Datenmissbrauch vor, was die Arbeitnehmerin zurückwies. Da sie seit Jahren dem Betriebsrat aktiv angehört, wollte der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aussprechen. Dieser widersprach der Betriebsrat, also ging die Kündigungsabsicht – so will es das Betriebsverfassungsgesetz – vor das Arbeitsgericht. Dort sahen sich die Parteien jetzt wieder, nachdem die Beschäftigte schon seit gut zwei Monaten von der Arbeit freigestellt ist und zunächst auch keinen Lohn mehr erhalten hatte.

Die Krankenhausverwaltung als Klägerin bezichtigte die Beklagte, Daten von Mitarbeiten des Krankenhauses (also von Kollegen), die als Patienten im Krankenhaus behandelt wurden, eingesehen zu haben. Dies bestritt die Mitarbeiterin vor Gericht vehement. Sie gehe den ganzen Tag beruflich gewissenhaft mit hunderten von empfindlichen Patientendaten um und habe keine Veranlassung, kein Interesse und auch keine Zeit, um Mitarbeiterdaten einzusehen. Sie wertete die beabsichtigte Kündigung als Teil andauernden Mobbings durch ihren direkten Vorgesetzten.

Die erste Kammer des Arbeitsgerichts mit Direktor Lutz Haßel als Vorsitzenden bewegte sich bei ihrer Suche nach Recht und Wahrheit auf schwammigem Untergrund. Das lag einerseits an der nicht eindeutigen aktuellen allgemeinen Rechtsgrundlage, andererseits konnte nicht geklärt werden, ob der Arbeitgeber der Mitarbeiterin klare Anweisungen gegeben hatte, die den Zugriff auf die Kollegendaten untersagen. Andererseits hatte die Landesdatenschutzbehörde den Datenschutz des Krankenhauses für in Ordnung befunden, argumentierte die Klägerin.

Bei der Suche des Gerichts nach einer einvernehmlichen Lösung schwang sicherlich auch der eher klausuliert erhobene Vorwurf des Mobbings mit. Zudem ließ Vorsitzender Haßel durchblicken, dass er in einer Weiterbeschäftigung bei dem eingetrübten Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Angestellter kaum eine Zukunft sah. Es fehle wohl auch die rechtliche Grundlage der Kündigung, da der Arbeitgeber seine Arbeitnehmerin in dieser Sache zuvor nicht abgemahnt hatte. Richter Haßel: „War der Verstoß wirklich so schwerwiegend, dass eine Kündigung erfolgen musste?“

Nach zähen, fast zweistündigen Verhandlungen der Rechtsanwältinnen Veronika Klein für die KLF und Michelle Meer für die Beklagte schlug Arbeitsgerichtsdirektor Haßel einen Vergleich vor, der im Grunde die Freistellung der Arbeitnehmerin bei einer Ablöse in Höhe eines Jahresgehalts vorsah. So habe die 50-jährige Frau Zeit, sich nach einer neuen Arbeitsstelle umzusehen. Beide Parteien berieten sich eingehend in einer Gerichtspause getrennt und lehnten den Vergleich zunächst ab.

Richter gibt nicht auf

Richter Lutz Haßel („ich bin da ein wenig hartleibig“) gab nicht auf und nicht nach. Er sprach beiden Parteien ins Gewissen: Ein Weiterverfolgen des Streits vor dem Landesarbeitsgericht als nächste Instanz werde alle Beteiligten nur noch mehr Zeit, Geld und Nerven kosten und am Ende nur Verlierer haben.

Als die beklagte Frau ein Einvernehmen verneinen wollte, griff ihr Ehemann aus dem Zuhörerraum ein und riet ihr zu einer erneuten Unterbrechung. In dieser einigten sich die Parteien dann – wiederum getrennt – auf einen Vergleich zu den oben genannten Konditionen mit zahlreichen Zusatzvereinbarungen. Unter anderem mit dieser, dass der Vergleich ausdrücklich als „einvernehmlich“ benannt und so auch im Krankenhaus kommuniziert werden solle. Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien anteilig.

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Erstellt:
17.08.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 40sec
zuletzt aktualisiert: 17.08.2019, 01:00 Uhr

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