Die verborgenen Farben der Dinge

18 Jahre nach „Brot und Tulpen“ legt der italienische Regisseur Silvio Soldini nach und wagt sich erneut an eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Der Werbefuzzi Teo (Adriano Giannini) beobachtet in einer Boutique, wie eine Frau ein rotes Kleid anprobiert. Er hat ihre Stimme wiedererkannt, die er kurz zuvor in einem Dunkelrestaurant gehört hatte.

Emma (Valeria Golino) ist blind und arbeitet als Osteopathin, was Teo als Vorwand nutzt, sie in ihrer Praxis aufzusuchen. Das gibt der Kamera Gelegenheit, eine körperliche Annäherung zwischen Frau und Mann zu präsentieren, die das Klischee vom männlichen Eroberer unterläuft: Wie es ihre Profession erfordert, ist es nun die Frau, die den männlichen Körper mit den Händen erforscht. Und das Tasten ist zugleich die Weise, wie Emma sich die Welt erschließt.

Der von sich selbst eingenommene Teo, der mit Lebensgefährtin und Geliebter bereits ein doppeltes Liebesleben führt, scheint die blinde Körpertherapeutin zunächst als weitere Trophäe aufzufassen. Doch Emma ist eine selbstbewusste Frau, die sich ein unabhängiges Leben aufgebaut hat, in dem jeder Handgriff sitzt. Diese selbstverständliche Souveränität ist erfrischend weit weg von jeder Betulichkeit bei der Darstellung von Behinderungen. Sie ist ein Mensch, der in sich ruht – ganz anders als der zwischen seinem Job und seinen Techtelmechteln rotierende Teo.

Nebenbei bemerkt man, wie gut sich große Städte für heimliche Affären eignen. Und man staunt, wie viel der Regisseur aus beiläufigen Alltagssituationen (zusammen ein Glas Wein trinken, eine Begegnung im Supermarkt) herausholt.

Auf jeden Fall hebt Valeria Golino den Film auf wunderbare Weise über alle Kitschroutinen hinaus. Das Ende lässt einen dennoch etwas zwiespältig zurück.

Eine Frau außerhalb seiner bisherigen Umlaufbahn wirft einen selbstverliebten Werbefachmann aus der Spur.