Waldachtal/Horb · Bildung

Digitaler Wandel im Klassenraum

Zukünftige Abiturienten waren in Waldachtal bei der Firma Fischer zu Gast, um über die Digitalisierung als Werkzeug zur Wissensvermittlung diskutieren.

23.07.2019

Von Mathias Huckert

Nina Drößler, Matthieu Beilharz, Carsten Knop, Christopher Peterka und Matthias Schneider (von links) während der Podiumsdiskussion beim Abiturientenforum der Firma Fischer.Bilder: Karl-Heinz Kuball

Nina Drößler, Matthieu Beilharz, Carsten Knop, Christopher Peterka und Matthias Schneider (von links) während der Podiumsdiskussion beim Abiturientenforum der Firma Fischer.Bilder: Karl-Heinz Kuball

Als Christopher Peterka von der Einschulung seines Sohnes berichtet, erklärt er, warum ihn dieser Tag schockiert hat: „Der Klassenraum sah genau so aus wie noch vor 35 Jahren.“ Peterka ist Zukunftsforscher – und am gestrigen Montag hörten ihm rund 200 Gäste aus Horb, Dornstetten, Freudenstadt, Nagold und Altensteig zu. Beim 9. Fischer Abiturientenforum in Waldachtal waren Schüler, Lehrer und Schulleiter zu Gast bei der Unternehmensgruppe Fischer in Waldachtal. Zentrales Thema war die Digitalisierung und die damit verbundene Frage nach der sinnvollen Integration von digitalen Lehrmitteln in den Schulunterricht. Die Sichtweise der Schüler auf den digitalen Wandel im Klassenraum lieferten Jannik Vollmer, Carina Hanser und Benedikt Link.

Schüler führten Studie durch

Die Schüler vom Otto-Hahn-Gymnasium aus Nagold hatten an Schulen in der Region eine Umfrage gemacht, deren Ergebnis zeigte: An deutschen Schulen wird nicht Schritt gehalten mit der Digitalisierung. Mehr als die Hälfte der rund 90 Teilnehmer der Studie waren der Meinung, dass das verstärkte Einbinden digitaler Inhalte einen wesentlich besseren Unterricht ermögliche. Das Problem an der Sache: Fehlende Konzepte und mangelnde Ausstattung der Schulen erschweren es, diesen Wunsch der Schüler nach modernerem Unterricht zu erfüllen.

Christopher Peterka fand dafür drastische Worte: „Jeder Kuhstall in Deutschland ist technisch besser ausgestattet als eine durchschnittliche Schule“, erklärte er in der Podiumsdiskussion, die vom Fischer-Werk organisiert wurde. Moderator und FAZ-Redakteur Carsten Knop führte durch die Diskussionsrunde, bei der neben Peterka auch der Digital-Experte von Fischer, Matthias Schneider, beteiligt war. Zwei Gäste vertraten die Schülerschaft: Nina Drößler vom Gymnasium Dornstetten und Matthieu Beilharz vom Kepler-Gymnasium in Freudenstadt.

Eine Aussage, auf die sich alle Beteiligten einigen konnten, betraf den eigentlichen Umgang mit der Digitalisierung an deutschen Schulen: Das bloße Heranschaffen von Tablet-Computern reicht nicht aus. „Ich weiß, dass es die bei uns in der Schule gibt, aber sie verstauben im Keller“, sagte Drößler. Laut Matthias Schneider, der auf neue Studiengänge verwies, die Fischer in Kooperation mit der dualen Hochschule in Villingen-Schwenningen anbietet – etwa Digital Business Management – erklärte: „Die Schüler sollen nicht am PC sitzen und programmieren. Man muss in Deutschland wegkommen von der Geräte-Thematik hin zu den richtigen Lerninhalten.“ Das Angebot von Fischer interessierte die Gäste: „Ich könnte mir vorstellen, nach der Schule im dualen Studium BWL zu studieren. Veranstaltungen wie heute zeigen, dass man bei Fischer das Rüstzeug für die Zukunft bekommt“, sagte Simone Wohlschlögel, die im kommenden Jahr am Horber Martin-Gerbert-Gymnasium ihr Abitur machen möchte.

Die Ansicht, dass das bloße Bereitstellen von Geräten noch keine zufriedenstellende Zusammenführung von Digitalisierung und Schulunterricht mit sich bringt, teilte auch Peterka. Er prophezeite Walter Kinkelin, dem Schulleiter vom Nagolder Otto-Hahn-Gymnasium: „Selbst die 450000 Euro, die Ihre Schule durch den Digitalpakt vom Bund erhält, werden keine spürbare Verbesserung der Unterrichtsqualität herbeiführen.“

Viel nötiger sei es laut dem Zukunftsforscher, die digitalen Inhalte anschaulich in den Unterricht miteinzubinden: Bitcoin-Mining könne man etwa versuchen, auf dem Schulhof darzustellen und auch das leidige Thema vom Smartphone-Verbot an deutschen Schulen erfordere laut Peterka ein Umdenken: „Wenn ein Schüler lieber auf ein Display starrt, als dem Unterricht zu folgen, dann zeigt das nur, dass alles andere zehn Mal spannender ist, als dieser Unterricht.“

Das Umdenken, so Peterka, käme nur dann zustande, wenn alle gemeinsam „radikal lauter würden“ und sich Veranstaltungen wie das Abiturientenforum häuften. Wie die Lehrpläne entstehen, die mit einer Gültigkeit von etwa einem Jahrzehnt schnell überholt seien, müsse sich zudem ändern. Das brachte Nina Drößler treffend auf den Punkt. „Die Frage sollte zuallererst lauten, wer überhaupt in den Ministerien sitzt und Einfluss auf die Inhalte der Lehrpläne nimmt.“ Gemeinsam mit Matthieu Beilharz plädierte sie für eine Verjüngung des für die Lehrpläne verantwortlichen Gremiums und das Miteinbeziehen von Lehrern und Schülern in die Erstellung der Pläne.

Digitalisierung im Beruf

Am Ende stellte Carsten Knop die Frage, ob die Gäste im Fischer-Werk glauben, in ihren zukünftigen Berufen mit dem digitalen Wandel konfrontiert zu werden. Alle waren sich einig – und hielten die Abstimmungskarte in die Höhe, auf der das Wort „Ja“ geschrieben stand. Als die Frage folgte, ob sie sich dieser Herausforderung gewachsen fühlten, waren sich die Gäste ebenso einig: Noch nicht. Nach dem Forum gingen sie aber mit einer Erkenntnis nach Hause: Damit der digitale Wandel im Klassenraum möglich wird, müssen sie sich einsetzen für die Veränderung.
Simone Wohlschlögel

Simone Wohlschlögel

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Erstellt:
23.07.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 17sec
zuletzt aktualisiert: 23.07.2019, 01:00 Uhr

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