Neue Gesichter

Disco, Umsturz, Landpartie

München, Paris, Horb – nächste Kreativen-Generation im Künstlerhaus: Das Münchner Duo Steffi Müller und Klaus Erich Dietl sowie die koreanische Kollegin Sunyoung Park kommen.

14.12.2016

Von Michael Zerhusen

Buntes Programm: Von Bildender Kunst über Filmarbeiten und Performances bis hin zu Experimentalmusik reicht das Repertoire des Münchner Künstlerduos Steffi Müller und Klaus Erich Dietl, die im Februar nach Horb kommen werden. Privatbild

Buntes Programm: Von Bildender Kunst über Filmarbeiten und Performances bis hin zu Experimentalmusik reicht das Repertoire des Münchner Künstlerduos Steffi Müller und Klaus Erich Dietl, die im Februar nach Horb kommen werden. Privatbild

Wir haben heute Zugang zu Unmengen an Bild- und Textinformationen und können uns längst auch selbst über Social-Media-Kanäle wie Twitter, Instagram oder Youtube permanent am Bild- und Wortgefecht beteiligen“, sagt Steffi Müller. Es sei aber fraglich, ergänzt ihr Partner Klaus Dietl, ob die Menschen tatsächlich daran teilhaben: „Oder resignieren wir schon längst und rezipieren nicht einmal mehr?“ Beyoncé und Panama Papers, Attentate und Naturkatastrophen, Erdogan, Clinton, Trump – „heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie“?

Mit ihrer Installation „Staatsqualle“, an der das Künstlerduo Dietl und Müller derzeit arbeitet, wollen die beiden Antworten darauf finden, „welche Strategien uns aus der Überforderung und Reizüberflutung herausführen“. Im Februar werden die beiden in eine Wohnung im Horber Künstlerhaus einziehen, erste Kontakte haben sie bei einem Besuch bereits geknüpft: mit Verantwortlichen des Fördervereins, mit Ekkehard Scholz, Michael Grüber und Viviana Weschenmoser. Und bei Ex-Künstlerhaus-Bewohnerin Monika Golla, am „Kunstort Eleven“ in Börstingen, hatten die Münchner schon im Oktober einen Auftritt.

Klaus Erich Dietl (42) hat in München Malerei und Kunsttheorie studiert. Seit 2012 setzt er sich zunehmend mit dem bewegten Bild auseinander. Im Oktober 2013 wurde sein Kurzfilm „My Name Is Luka, Call Me Catherine“ für den Züricher „Missing Link“ nominiert – einen Preis, mit dem herausragende Positionen zu Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet werden. Und ihren ersten Langfilm „Ein falsches Wort“ über die „Sprachstruktur der Lüge im Strafvollzug“ zeigen Dietl und Müller in diesem Winter in Wien – und bald wohl auch in Horb oder drumherum (etwa im Rottenburger Kino „Waldhorn“).

Bei Stephanie Müller (37) treffen Bildende Kunst, Performance, Experimentalmusik und Sozialwissenschaften aufeinander. Auf das Studium der Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Psychologie an der LMU München folgte ein Aufbaustudium an der Akademie der Bildenden Künste. In künstlerischen Projekten, Fachaufsätzen und Lehraufträgen setzt sie sich mit kommunikativen Prozessen auseinander und dem Aufbrechen von Normen und Barrieren. „Ich interessiere mich vor allem für Mechanismen, die uns am sozialen Austausch hindern.“

So setzt sie selbst auf Austausch und Zusammenarbeit: Mit Laura Melis Theis (Oxford,

München) arbeitet Stephanie Müller seit 2006 zusammen. Gemeinsam haben die beiden das Musik- und Performanceprojekt „beißpony“ gegründet. Stephanie Müller entwickelt Klang-Samples für sprechende Staubsauger und Soundapparaturen, die live zum Einsatz kommen. Mit der brasilianischen Textilkünstlerin Lisa Simpson alias Agente Costura ist sie seit 2015 mit einem Free-Jazz-Projekt unterwegs – Melodien aus der Nähmaschine treffen auf Schlagzeugrhythmen –, und im vergangenen Sommer haben Müller und Dietl gemeinsam mit Stipendiaten und Kunstschaffenden von vier Kontinenten das Filmkunstprojekt „Scratch & Screen“ erarbeitet. International unterwegs ist auch Sunyoung Park (34), die in Seoul geboren wurde. Sie arbeitet derzeit noch in Paris und will ab März 2017 ins Neckarstädtchen Horb wechseln („der Natur wegen“) – und gleichzeitig ihre Verbindungen nach Frankreich nicht kappen. Vor gut drei Jahren noch Meisterschülerin beim britischen Bildhauer Richard Deacon – der Turner-Preisträger gilt als führender Vertreter der zeitgenössischen Skulptur – war sie bereits 2013 zusammen mit Christoph Mügge als Künstlerhaus-Stipendiatin angenommen worden. Während sie sich damals für ein Angebot in der französischen Hauptstadt entschied, will sie nun drei Jahre an den Neckar kommen.

Ihr besonderes Augenmerk gilt dem Automobil, nicht nur als Objekt, sondern als „bewegter Raum“. Sie sei „fasziniert von seiner Funktion, besonders von seiner Mobilität“, heißt es in einem Katalog, der 2015 zu einer Ausstellung von Duisburger Künstlern und jungen Talenten im Lehmbruck-Museum erschien. In ihren relief-artigen Fotografien, den sogenannten Photopiles, geht es ihr um die An- oder Abwesenheit des Automobils: „Häufig schneidet die Künstlerin die Autos aus den Fotos heraus, so dass ein leerer Raum sichtbar wird, den das Objekt zuvor eingenommen hat.“ Die Silhouetten oder Fahrzeuge inspirieren sie wiederum zu mehrschichtigen Zeichnungen und Skulpturen.

Parks Photopiles sind bislang in London, Paris, Seoul und Düsseldorf entstanden – nun könnte sich das „Tor zum Schwarzwald“ in diese Szenenfolge einreihen. Jedenfalls will die Koreanerin, die seit 2007 in Deutschland lebt, drei Jahre am Neckar verweilen.

Mach’s noch einmal, Sun: Die Koreanerin war bereits vor drei Jahren angenommen worden und setzte sich jetzt erneut durch im Bewerbungsverfahren. Bild: Zerhusen

Mach’s noch einmal, Sun: Die Koreanerin war bereits vor drei Jahren angenommen worden und setzte sich jetzt erneut durch im Bewerbungsverfahren. Bild: Zerhusen