Weihnachtsgeschichte (6) der Jugendredaktion

Donaldino, der traurige Horror-Clown

Letzte Folge des FLUGPLATZ-Fortsetzungsromans zu den Feiertagen. Heute: Donaldinos Silvesterparty

31.12.2016

Von Ines Kunze

Silvesterabend. Für den einst so unbeliebten Horror-Clown Donaldino ist es noch immer unglaublich: Zur heutigen Party vor Neujahr kann er so viele Freunde begrüßen wie nie zuvor. Und jetzt, wo alles vorbereitet ist, kann er es kaum erwarten, dass die ersten Gäste kommen.

Gerade verteilt Donaldino noch Servietten auf den Tischen, als es schon an der Tür läutet. Der Präsident ist tatsächlich gekommen – Barack Obama! „Wie ich mich freue, Sie kennenzulernen!“, begrüßt Donaldino ihn. „Die Freude ist ganz meinerseits“, erwidert Obama: „Aber bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn meine Leute das Haus überwachen, damit ja keiner Fotos macht. Sie wissen schon: ein Bild von mir, mit einem Horrorclown …“

„Jaja“, seufzt Donaldino. So ganz kann er seine Vergangenheit ganz offenbar nicht hinter sich lassen, schon optisch. Wenn die Menschen nur mal begreifen würden, dass die Tatsache, dass manche Horror-Clowns böse Dinge tun, nicht bedeutet, dass alle ihrer Art so sind ...

Jetzt aber freut er sich erst einmal, dass Obama mit ihm feiern will. „Wenn Sie schon so früh da sind ...“ überlegt Donaldino, „dann könnten Sie doch gleich mal eine kleine Rede vorbereiten. Das können Sie doch gut – Reden halten!“ Der Präsident willigt ein, möchte aber erst einmal die Gästeliste sehen, damit er sich darauf einstellen kann.

Die zeigt Donaldino natürlich gern. Obama staunt, als er die ganzen Namen liest: Lang Lang, Elton John, die vielen Flüchtlinge – und selbst Recep Tayyip Erdogan will die Sause mitnehmen – obwohl ihn Donaldino in Ankara ja versetzt hatte. Das Programm ist mindestens genauso toll: Nachdem feststand, dass George Michaels prominente Trauergesellschaft die Silvesternacht in Deutschland verbringen muss, hat Donaldino sie sofort eingeladen. Aus Dankbarkeit hat Adele ihm gleich versprochen, für die musikalische Untermalung zu sorgen. Donaldino kann sein Glück kaum fassen – und das in einem Jahr 2016 , in dem doch so viel Unglück geschehen ist …

So langsam kommt ein Gast nach dem anderen an, es wird ganz schön voll im Raum. Aber das stört niemanden, denn, wie der Horror-Clown zufrieden feststellt, scheinen sich seine neuen Freunde untereinander gut zu verstehen: Gerade lernt eine Gruppe von Flüchtlingen gemeinsam mit Elton John deutsche Vokabeln – schließlich war der mal mit einer Deutschen verheiratet.

Währenddessen haben die Pokémon-Go-Spieler das Topfschlagen für sich entdeckt: Begeistert schieben sie sich („Kalt!“ und „Heiß! Ganz heiß! Immer heißer … jaaa!“ rufend) durch den Raum. Unter den Töpfen sind kleine Süßigkeiten versteckt, die Donaldino eigentlich stilvoll in Porzellanschalen servieren wollte.

Er selbst unterhält sich mit dem älteren Mann aus dem Schlafsack, der Donaldino immer noch dankbar ist, dass er ihn vor den Schlägern gerettet hat – und angesichts all des Essens, der netten Leute und der Gastfreundschaft gar nicht mehr weiß, wohin mit seiner Dankbarkeit. „Sind Sie es denn nicht gewohnt, Freunde zu sich nach Hause einzuladen?“ fragt Donaldino. Da wird der Mann ein bisschen traurig, denn er hat kein Zuhause, außer seinem Schlafsack. „Normalerweise wenden die Menschen ihren Blick ab, sobald sie mich sehen“, sagt er. „Das kenne ich“, antwortet Donaldino – und erinnert sich an die vielen schmerzlichen Fehlversuche, Anderen näher zu kommen. Viele davon kamen am nächsten Tag im Fernsehen.

Bevor der Mann antworten kann, unterbricht ein Klopfen auf das Mikrophon das Gespräch, und Präsident Obama ergreift das Wort. Nach ein paar sehr gelungen Scherzen – Donaldino hält sie für die besten, die er je gehört hat – kündigt Obama den Auftritt von Adele an. Die steigt unter Applaus auf Donaldinos Sofa und in ihrem blau-glitzernden Kleid wirkt sie so, als würde sich gleich vor Hunderttausenden auftreten, die alle mindestens hundert Dollar gezahlt haben, nur um sie zu erleben. Die Atmosphäre stimmt – und als sie den Song „Hello“ anstimmt, der wirklich von allen Anwesenden mitgesungen werden kann, fällt es auch gar nicht auf, dass es sich nicht um Hardcore-Fans, sondern um eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Menschen handelt, die froh sind, einander an diesem Abend zu haben.

Nachdem Obama – erst aus PR- Gründen mit den Flüchtlingen, und schließlich auch („Meine Amtszeit ist eh bald abgelaufen, und was interessiert mich noch, was andere von mir denken?“) – mit Donaldino ausgiebig Fotos gemacht hat, ist schon fast Mitternacht.

Alles wird ruhig. Wie gebannt starren die Gäste auf den großen, sich langsam Richtung Zwölf bewegenden Sekundenzeiger der Wanduhr und zählen in den unterschiedlichsten Sprachen – englisch, deutsch, türkisch, arabisch – mit:

Fünf, vier, drei, zwei, eins ...

„Frohes neues Jahr!“ ruft Donaldino – und lacht zum ersten Mal im Leben eine Menschenmenge an, die daraufhin nicht in Panik verfällt. Mit Blick auf den Mann aus dem Schlafsack, der ihm inzwischen versichert hat, nichts lieber zu tun, als bei ihm einzuziehen, hat er auch zum ersten Mal die Sicherheit, dieses Jahr nicht in Einsamkeit verbringen zu müssen. „Frohes Neues!“ grüßen seine neuen Freunde zurück. Und Donaldino ist so froh über das Gelingen seines Projektes, dass er mit Lachen gar nicht mehr aufhören kann.