Soziales Leben

Drei Wochen solidarisch miteinander speisen

Die Vesperkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Rottenburg öffnete am gestrigen Sonntag zum zehnten Mal. Drei Wochen lang gibt es Mittagstisch mit Dessert, Kaffee und Kuchen zu einem Preis, den Jeder selbst festlegt.

30.01.2017

Von Werner Bauknecht

Vesperkirche Rottenburg im Evangelischen Gemeindehaus Kirchgasse. Bild: Faden

Vesperkirche Rottenburg im Evangelischen Gemeindehaus Kirchgasse. Bild: Faden

Bereits vor elf Uhr warteten gestern im Foyer des Evangelischen Gemeindehauses Rottenburg die ersten Gäste auf die Öffnung der Vesperkirche. Drei Wochen wird sie auch dieses Jahr wieder durchgängig offen stehen für Bedürftige und weniger Bedürftige, die sich auf eine warme Mahlzeit in einem warmen Raum freuen. Die Vesperkirche beruht auf dem Solidaritätsprinzip: Wer mehr hat gibt für die, die nichts oder wenig haben. Statt Rechnungen für Essen und Trinken gibt es Spendengläser auf dem Tisch. Wie ein Aushang am Schwarzen Brett zeigt, gingen vorab bereits Spenden in Höhe von 1200 Euro ein. Außerdem gibt es reichlich Sachspenden von Rottenburger oder Tübinger Geschäften. Träger ist die Evangelische Kirchengemeinde Rottenburg, Helfer/innen kommen von allen Konfessionen.

Auf einem großen Plakat steht die Speisekarte für die erste Woche. Gleich am Sonntag gab es Flädle in der Brühe, Zürcher Geschnetzeltes und Quarkdessert. Am heutigen Montag steht Cordon Bleu auf dem Plan. Ein Salatbuffet gibt es täglich, Kaffee oder Tee ebenfalls. Und gespendete Kuchen, die auf einem separaten Tisch angerichtet sind.

Zum Start 27 Ehrenamtliche

Gestern waren 27 ehrenamtliche Helfer und Helferinnen im Einsatz. „Nein“, sagt Organisatorin Heide Mattheis, „Probleme, Helfer zu bekommen, hatten wir noch nie.“ Viele von ihnen helfen seit der ersten Vesperkirche vor zehn Jahren mit. Es komme auch immer wieder Nachwuchs dazu, aber der Stamm arbeite nun schon seit vielen Jahren zusammen. Es beteiligen sich auch Schulen mit einzelnen Klassen an der Vesperkirche: Eugen-Bolz-Gymnasium, Lindenschule, Carl-Joseph-Leiprecht-Schule und St. Klara.

Das Team wartete auf den Ansturm nach dem Sonntagsgottesdienst. Da waren die im Vorteil, die nicht in der Kirche waren, denn sie besetzten im großen Saal mit seinen über 50 Plätzen bereits die Stühle. Auch der der Ottilie-Wildermuth-Saal mit etwa 40 Plätzen war schnell belegt. Los ging es aber erst nach Ende des Gottesdiensts und nachdem alle Bedienungen eingetroffen waren.

Viele kennen sich schon

Neu ist, dass das Essen aus Kirchentellinsfurt kommt, aus der Feinkostküche von Oskar Zeeb. Auch die Thermoboxen sind neu. „Da war ich ein wenig nervös“, sagte Mattheis, „weil es das erste Mal war. Aber dann hat es toll geklappt.“ Zeebs Küche in Rottenburg konnte den Aufwand nicht mehr bewältigen.

Ruckzuck geht es bei der Essensausgabe. Dabei stehen sie nur zu zweit dahinter. Sigrid Assenheimer macht das auch schon seit vielen Jahren. „Mein Traumjob“, sagt sie lachend. Sie befördert die Flädle in den Teller, dann schöpft sie die Brühe nach. Manche Besucher warten draußen, in der Sonne, bis wieder Plätze frei werden.

Die meisten der Gäste kennt Mattheis. „Man trifft sich ja auch übers Jahr in Rottenburg.“ Ab Sommer heiße es dann: Wann ist es denn wieder soweit mit der Vesperkirche, berichtet sie. Mattheis begrüßt viele der Besucher persönlich, oder sie kommen auf sie zu und melden sich bei ihr an.

Währenddessen wird in der Küche schwer geschafft. Acht Helferinnen kümmern sich um die Zubereitung der Desserts, um die Salate, um die Spülmaschinen. Trotz der Enge sitzt jeder Handgriff. „Jahrelange Erfahrung“, sagt eine der Helferinnen. Immer wieder kommen die Bedienungen herein, und transportieren das Essen auf ihren Servierbrettern nach draußen in den Gastraum. Dort weist Peter Trautwein, er ist seit acht Jahren dabei, eine der Praktikantinnen am Kuchenstand ein. „Selber abholen geht nicht“, erklärt er, „man kann mit den Augen aussuchen, aber die Bedienung bringt den Kuchen an den Tisch.“ Anders sei es nicht möglich, sonst stehen die Menschen Schlange und alles käme durcheinander.

Im Foyer warten immer mehr Hungrige auf einen Platz. Finanzbürgermeister Hendrik Bednarz steht da mit Söhnchen Leonard auf dem Arm. Familie Ragaz aus Kasachstan war vorigesJahr schon Gast, da waren sie gerade nach Deutschland gekommen. „Für uns war das neu“, berichtet Mutter Daria, „aber so haben wir gleich ein paar Leute kennengelernt.“

Kirchenchor singt dazu

Während sie warten spielt ihr Sohn mit einem anderen Kind Tischkicker im Spielraum des Gemeindehauses. Der Kirchenchor singt zwei Lieder. Draußen, am Eingang zum Gemeindehaus, hängt ein nagelneues orangenes Banner, das auf die Vesperkirche hinweist. „Das ist neu“, so Mattheis, „bisher habe ich das immer von Hand im Keller gemacht. Jetzt ist es richtig professionell.“

Um 14 Uhr ist die Vesperkirche offiziell zu Ende. Dann müssen die HelferInnen noch aufräumen und zusammenpacken. Am kommenden Tag geht es gleich um 10.30 Uhr weiter, heute also. Die Vesperkirche ist noch bis zum 18. Februar geöffnet