Horb · Gesundheit

Droht ein Mediziner-Notstand?

Horb hat zu wenige Hausärzte, davon ist knapp die Hälfte über 60 Jahre alt. Im MVZ sind Stellen unbesetzt. Die KV spricht von Unterversorgung.

22.02.2020

Von Dagmar Stepper

Junge Ärzte auf dem Weg nach Horb – dieses Szenario istvorerst ein Wunschdenken.Archivbild: Benjamin Breitmaier

Junge Ärzte auf dem Weg nach Horb – dieses Szenario ist vorerst ein Wunschdenken.
Archivbild: Benjamin Breitmaier

Die gute Nachricht vorneweg: Mit Dr. Timea Barnak hat sich Anfang des Jahres eine neue Allgemeinmedizinerin in Horb niedergelassen. Sie verstärkt die Praxis von Roland Marada in der Schillerstraße 8. Damit ist der hausärztliche Versorgungsgrad von Horb innerhalb des vergangenen Jahres von 75 Prozent auf knapp 89 Prozent gestiegen, wie die Kassenärtzliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg Mitte Februar 2020 veröffentlichte. Doch damit ist auch schon Schluss mit den frohen Botschaften: Horb liegt im Landesvergleich bei der Dichte von Hausärzten weit abgeschlagen. Von über 100 Mittelbereichen liegt Horb damit an 87. Stelle. Freudenstadt weist eine Quote von 110,9 Prozent auf, Nagold von 101,6, Rottenburg von 107,2.

Zum Mittelbereich Horb gehören Empfingen und Eutingen, insgesamt sind hier 16 Ärzte angestellt. Es sind definitiv zwei Ärzte zu wenig, die KV schreibt von einer Unterversorgung. Insgesamt könnten sich hier sofort 4,5 neue Ärzte niederlassen, die Sperre, die es für gut versorgte Regionen gibt, gilt hier schon lange nicht mehr. Verschärfend kommt hinzu, dass das Durchschnittsalter der hiesigen Ärzte mit 57,88 ebenfalls relativ hoch ist. In Baden-Württemberg liegt es bei 55 Jahren.

Seit der Schließung des Horber Krankenhauses 2012 zieht sich die medizinische Unterversorgung wie ein roter Faden durch die Stadtgeschichte. Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ), das in den Räumen des früheren Spitals von den Krankenhäusern Landkreis Freudenstadt (KLF) für die Horber als Kompensation eingerichtet wurde, wird seinem Namen nicht gerecht. Letzter Paukenschlag war die Kündigung der medizinischen Leiterin Dr. Sabine Merz Ende Januar, die Gynäkologin Dr. Mussarrat Ammad verlässt das Horber MVZ Ende März. Für beide Stellen hat die KLF noch keine Nachfolger gefunden. Mit Hochdruck werde an einer Nachfolgeregelung gearbeitet, „leider bis jetzt nicht mit dem gewünschten Ergebnis“, heißt es auf unsere Anfrage hin bei der KLF-Pressestelle. „Nicht nur in Horb, im gesamten Bundesgebiet, ist die Nachfrage nach Allgemeinmedizinern groß“, gibt die Pressestelle noch zu bedenken.

Die Horber Stadtspitze und der Gemeinderat kämpfen seit Jahren um die bessere medizinische Grundversorgung. Im Sommer vergangenen Jahres wurde eine Analyse zu ambulanten Hausarztversorgung in Auftrag gegeben und Gespräche mit Ärzten geführt. Als erster Erfolg wird die Kooperation zwischen Dr. Marada und Dr. Barnak seit Anfang des Jahres gefeiert. Weitere Gespräche zwischen dem von der Stadt beauftragten Beratungsunternehmen und Ärzten seien im Laufen, teilt Stadtsprecher Christian Volk der SÜDWEST PRESSE mit. Daraus könnte sich in Kürze ein neuer Arzt oder eine neue Ärztin für Horb ergeben – allerdings noch ohne verbindliche Zusagen.

In den Teilorten werden bei der medizinischen Hausarztversorgung auch ungewöhnliche Wege gegangen: In Dettensee beispielsweise bietet die Hausärztin Dr. Susanne Schöller jeden Mittwoch eine Sprechstunde im Rathaus an. Die Stadt unterstützt diese Angebote, indem sie Räume kostenlos anbietet und auch so ausstattet, dass Sprechstunden angeboten werden können. Eine Allheilmittel ist das allerdings nicht. „Der Fokus der städtischen Anstrengungen liegt darauf, das Angebot an Hausärzten im Stadtgebiet insgesamt zu erhöhen und zukunftsfähig zu gestalten“, betont Volk.

Könnte das Leuco-Areal also die beste aller Lösungen für die medizinische Versorgung von Horb sein? Bei der Vorstellung über die künftige Nutzung der Industriebrache fiel immer wieder das Stichwort Ärztehaus. Das kann sich auch die Stadt gut vorstellen, bestätigt Volk. Allerdings bedeutet das den Rückzug vom klassischen Landarzt-Modell mit eigener Praxis und 60-Stunden-Woche. Ein Ärztehaus würde neue Gesundheitsstrukturen am Standort Horb herausbilden. Es wäre auch zu klären, inwieweit die hiesigen niedergelassenen Ärzte bereit wären, sich in diese kooperativen Strukturen einzubringen. „Damit verbunden sind schwierige individuelle wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen“, schreibt Stadtsprecher Volk. Sprich: Praxisübernahmen, die früher für die in Rente gehenden Ärzte sehr lukrativ waren, könnten nun wegfallen.

Eine weitere offene Frage bei einem Horber Ärztehaus ist die Trägerschaft. Die Stadtverwaltung favorisiert eine freiberufliche Lösung. Doch wenn alle Stricke reißen, könnte die Stadt auch in die Bresche springen, so Volk: „Kommt es allerdings zum Marktversagen und sollte die eigenständige medizinische Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte und die Kassenärztliche Vereinigung, die ja den Versorgungsauftrag hat, nicht mehr sichergestellt werden können, sind auch unkonventionelle Ansätze wie ein Ärztehaus in kommunaler Trägerschaft mögliche Lösungsansätze“.

Horber Ärzte in Zahlen

Die hausärztliche Versorgung liegt in Horb bei 88,7 Prozent. 16 Hausärzte sind hier niedergelassen, Horb ist damit mit zwei Hausärzten unterversorgt. 4,5 Ärzte könnten sofort hier anfangen, es gibt in Horb keine Sperre, wie in gut versorgten Regionen.

Der Altersdurchschnitt der Horber Hausärzte liegt bei 57,88 Jahren. Sieben der 16 Ärzte sind älter als 60 Jahre.

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Erstellt:
22.02.2020, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 22.02.2020, 01:00 Uhr

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