Tübinger Regionalmarkt und Whisky-Tag

Duft nach Käse und rauchigem Kornbrand

T-Shirt-Temperaturen und ein strahlend blauer Himmel boten am Samstag die perfekten Voraussetzungen für den 29. Tübinger Regionalmarkt. Integriert war auch der Schwäbische Whisky-Tag hinter der Stiftskirche.

08.10.2018

Von Andrea Bachmann

Etwa hundert Stände boten regionale Spezialitäten von bodenständiger Hausmacher-Leberwurst bis zum raffinierten Ingwersalz an. Etwa 20 000 Besucherinnen und Besucher genossen die entspannte Erntedankatmosphäre. „In Tübingen läuft es immer sehr gut“, findet Njeri Kinyanjui von der Hottpott-Saucenmanufaktur, die Konfitüren und Marinaden mit kenianischem Flair anbietet. „Die Leute sind gut gelaunt und haben Lust, neue Sachen auszuprobieren.“

Das freut Hans-Peter Schwarz und Miriam Riegger von der Tübingen Erleben GmbH, die den Regionalmarkt ausrichtet. „Als ich den ersten Regionalmarkt geplant habe, war die Skepsis noch groß“, erinnert sich Schwarz. „Da wurde gefragt, wozu man überhaupt einen Regionalmarkt braucht.“ Mit 40 Ständen sei er damals gestartet, mittlerweile sind es über 100. Damit sei die Grenze des Machbaren erreicht, meint Miriam Riegger, die zum fünften Mal die Organisationsleitung übernommen hat. In diesem Jahr sind eine Reihe neuer Stände dazu gekommen. Dafür sind einige Marktbeschicker nicht mehr dabei. Das sorge für Abwechslung, auch wenn einige Stammgäste Händler vermissen, bei denen sie immer einkaufen.

Miriam Riegger gefällt vor allem der direkte und freundschaftliche Kontakt zu den Erzeugern. „Das ist hier das Gegenteil von anonym“, freut sie sich. Ein Fünftel der Marktbeschicker kommt aus Tübingen, einige sind seit dem ersten Markt dabei.

Dazu gehört die Familie Bechtle, die in Waldhausen bereits in dritter Generation einen Hof bewirtschaftet. Heute ist sie mit Max und Moritz auf dem Markt, zwei gerade einmal drei Wochen alte Kälbchen. Nicht nur Kinder sind begeistert. Schräg gegenüber steht ein historischer Traktor, Baujahr 1955, der die Besucher ebenfalls magisch anzieht. Ein Fahrrad ist zu einer Getreidemühle umfunktioniert, auf der die Marktbesucher sich ihre Frühstücksflocken selber schroten können: Der Regionalmarkt ist auch immer ein Markt zum Anfassen und Selbermachen.

Vom Holzmarkt führt ein roter Teppich auf den Platz hinter der Stiftskirche. Hier wird der auch schon traditionelle Schwäbische Whisky-Tag ausgerichtet. Grüppchen von Whisky-Connaisseuren und solchen, die es werden wollen, umringen bereits um die Mittagszeit die Stände.

Angela Weis, Mitarbeiterin der Silberburg am Marktplatz und „Schwäbische Whiskybotschafterin“, ist in ihrem Element. „In Schottland gehören fast alle Whisky-Brennereien mittlerweile großen Konzernen. Hier in Schwaben gibt es noch ganz viele Kleinbrennereien, die eine unglaubliche Vielfalt an ausgefallenen Whiskys produzieren“, erklärt sie die Besonderheit schwäbischer Whiskykultur.

Der Kornbrand wird mindestens drei Jahre in bereits vorab benutzten Fässern gelagert. „Toll sind Fässer, in denen vorher Süßwein, Bier oder Apfelmost gelagert wurde. Der Whisky mit seinem hohen Alkoholgehalt zieht einen Teil des Aromas aus den Holzdauben.“ Auch der Lagerort des Fasses spiele eine Rolle. In Schottland stelle man die Fässer auch gerne mal an den Strand, damit die Salzluft dem Whisky einen besonderen Geschmack verleiht. Außerdem verdunstet ein Teil des Alkohols aus dem Fass. „Das nennt man Angel’s Share, nirgends geht es Engeln so gut wie direkt über einem Whiskyfass“, schmunzelt die zertifizierte Edelbrand-Sommelière, die für die Silberburg Verkostungen, Touren, Seminare und Vorträge rund um Edelbrände wie Whisky, Gin oder Obstbrände organisiert.

Wie kommt man zu solch einem Job? „Ich fand Spirituosen schon immer toll“, erklärt Angela Weis. Dann habe sie in der Silberburg angefangen und richtig Blut geleckt. Zudem sei ihr Partner ein halber Schotte – da sei das dann eben so gewachsen. Jetzt informiert sie charmant und kompetent über die edlen Destillate.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs trinkt man in Deutschland Whisky, deutschen Whisky gibt es seit den 80er-Jahren. Den ersten schwäbischen Whisky brannte 1989 ein Obstbrenner in Owen unter Teck. Heute steht sein Enkel Immanuel Gruel am Stand hinter der Stiftskirche und erzählt von den Pioniertaten seines Großvaters, der 1979 auf einem Whiskytrail durch Schottland seine Liebe zu dem rauchigen Kornbrand entdecke. Leider hatte er nur ein Brennrecht für Obst und nicht für Getreide. Das hatte jedoch sein Schwiegervater, der den umstürzlerischen Visionen seines Schwiegersohnes jedoch mehr als skeptisch gegenüberstand. „Erst als der Schwiegervater das Zeitliche gesegnet hatte, konnte mein Großvater loslegen, und am Anfang hat man ihn noch ausgelacht“, erzählt der Experte, für den Whisky die vielschichtigste Spirituose der Welt ist.

Einen besonders raffinierten Whisky brennt Markus Zaiser. Sein Vater fand die alten Mostfässer im Keller zu schade zum Wegwerfen. Zaiser beschloss, sich das Apfelkonzentrat im Fassholz zunutze zu machen. Um den Essiggeruch loszuwerden, brennt er die Fässer aus: „So ein bis zwei Tage, nicht zu heiß und nicht zu kalt.“ Die Kombination aus Apfelduft und Holzrauch ergibt einen ganz besonderen und vor allem echt schwäbischen Whisky.

Alte Fässer benutzt auch Paul Buck in seiner Schreinerei in Engstingen. Aus dem hochwertigen Eichenholz ausgedienter Weinfässer schreinert er Tische, Stühle, Regale und Gartenbänke. Vor dem Rathaus sitzen die Leute Probe und ruhen sich aus, bevor die nächste Marktrunde in Angriff genommen wird: schwäbischer Ketchup, Filzpantoffeln, Honig in allen Geschmacksrichtungen und ein zart blühendes Asternmeer aus der Staudengärtnerei Jantzen zeigen die ganze Vielfalt regionaler Produkte. Es gäbe noch mehr. „Wir haben jedes Jahr viel mehr Interessenten als Plätze“, berichtet r Schwarz. „Der Markt hat einen guten Ruf in der Region.“

Die Schwaben entdeckten die Liebe zum Whisky

Unter dem Motto „Regional ist genial“ bietet der Tübinger Regionalmarkt an zwei Samstagen im Jahr regionalen Erzeugern eine Verkaufsplattform. An etwa 100 Ständen werden vor allem Lebensmittel, aber auch Kleidung, Möbel, Deko, Accessoires und Körperpflegeprodukte angeboten.

Der Schwäbische Whisky-Tag ist seit 2010 in den Regionalmarkt integriert. Auf dieser Messe präsentierten in diesem Jahr 14 Destillen ihre Erzeugnisse, jede Brennerei stellte bis zu fünf verschiedene Sorten vor, die in verschiedenen Verkostungspaketen probiert werden konnten. Der Schwäbische Whisky Tag wird von der Silberburg am Markt organisiert, die seit 2002 schwäbische Whiskys im Angebot hat.

Neben der Präsentation und Verkostungauf dem Platz hinter der Stiftskirche werden Whisky-Menüs und Pauschalangebote mit Übernachtung, Destillenführung, Stadtführung und Tasting angeboten.

Die Brennerei Gruel in Owen unter Teck stellte im Jahr 1989 den ersten schwäbischen Whisky her. Mittlerweile wird behauptet, dass es in Schwaben mehr Whiskybrennereien als in Schottland gibt. Die meisten sind jedoch Kleinbrennereien, deren Produktionsmenge 300 Liter Alkohol im Jahr nicht übersteigt.