Horb · Corona

Durchhalten – mit Suppe in Gläsern und Essen to go

Seit mehr als zwei Wochen sind die Gaststätten dicht. Wie wirkt sich der „Lockdown“ auf kleine Unternehmen aus? Wir sprachen mit der Inhaberin des Horber Café Reinhardt, Elisabeth Schneiderhan, über die wirtschaftlichen Folgen der Krise.

04.04.2020

Von Philipp Koebnik

Das Café Reinhardt in Horb. Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Das Café Reinhardt in Horb. Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Wie Elisabeth Schneiderhand empfinden wohl viele die derzeitige Situation: „Es ist alles so surreal irgendwie.“ Die Sonne scheint und die Vögel zwitschern. Doch das schöne Wetter und die Ruhe sind trügerisch: „Man sieht nichts, hört nichts, aber es ist da – wie damals bei Tschernobyl“, sagt Schneiderhan.

Wie andere Restaurants, Lokale und viele Geschäfte musste auch Elisabeth Schneiderhan, die das Café Reinhardt in der Schillerstraße betreibt, vor gut zwei Wochen wegen Corona schließen. Völlig überraschend sei dieser Schritt der Politik für sie nicht gekommen. Das habe sich in den Tagen zuvor abgezeichnet. Und die 57-Jährige hat durchaus Verständnis für die einschneidende Maßnahme. Gerade Senioren, die im Zusammenhang mit Corona eine Risikogruppe sind, kommen gerne in ihr Café, etwa zum Mittagessen. Schneiderhand möchte nicht, dass sich ältere Menschen in ihrem Haus mit dem gefährlichen Erreger infizieren. Ein Lokal sei schließlich ein „sensibler Bereich“: Geschirr, Türklinken, die Toilette – über viele Oberflächen kann sich das als besonders ansteckend geltende Virus übertragen.

Wenige Tage zuvor hatte sie noch die Tische auseinander gestellt, damit die Gäste den Sicherheitsabstand von anderthalb Metern einhalten können. Aber dann ging alles Schlag auf Schlag. Am 19. März hat Schneiderhan ihr Café zugemacht. Was sie mit dem noch übrigen Kuchen gemacht hat? „Ha, da freut sich die Verwandtschaft“, sagt Schneiderhan und lacht. Auch Freunde und Bekannte bekamen noch etwas ab. Den noch übrigen Käse hat die Familie rasch aufgegessen, Butter habe sie eingefroren. Generell verfüge sie über keine großen Vorräte, da ihre Lagerflächen sehr begrenzt seien. Sie habe die Lage mit ihren Mitarbeitern besprochen, die sich verständnisvoll gezeigt hätten angesichts dieser Ausnahmesituation.

Erst im Juni 2018 hatte Elisabeth Schneiderhan ihr Café eröffnet. Am Beginn einer Unternehmensgründung stehen hohe Investitionen. Es dauert erstmal eine Weile, bis es in der Kasse klingelt. Bislang lief es gut, sie konnte Stammkunden gewinnen, und es ging aufwärts. „Es lief richtig gut“, sagt sie. „Und jetzt kommt so etwas!“ Schneiderhan hofft, das anstehende Jubiläum zum zweijährigen Bestehen trotz allem ein bisschen feiern zu können. Nun hat sie erstmal Kurzarbeit beantragt für ihre beiden Angestellten im Übergangsbereich (Entgelt bis 1300 Euro). Außerdem hat sie fünf 450 Euro-Kräfte, die sie vorerst nicht weiter beschäftigen kann. Die meisten von ihnen hätten zum Glück noch einen anderen Job, sodass ihnen ihr Einkommen nicht komplett wegbreche. Zunächst habe sie überlegt, Backwaren zum Mitnehmen anzubieten, erzählt Schneiderhan. Viele Waren kaufe sie jedoch selbst ein – und lediglich Kuchen zum Mitnehmen zu verkaufen, lohne sich nicht. Daher hat sie von dieser Idee inzwischen wieder Abstand genommen. Allerdings will Schneiderhan ab der kommenden Woche ihre beliebten Suppen, in Gläser abgefüllt, über die neu gegründeten Horber „Lieferhelden“ vertreiben. Die Suppe könnten sich die Leute dann daheim oder etwa auf der Arbeit aufwärmen.

Sollte das öffentliche Leben ab dem 20. April langsam wieder seinen gewohnten Gang nehmen, könnte sie die Verluste der gut vierwöchigen Schließung kompensieren, glaubt Schneiderhan. Dauert der Lockdown länger, werde es schwierig: Die Zahlungen für die Miete und die Versicherung laufen schließlich weiter. Sollte die Schließung der Gaststätten noch einige Wochen länger dauern, wird Schneiderhan womöglich wieder einen Mittagstisch anbieten – zum Mitnehmen, versteht sich – für jene Leute, die dann wieder ins Büro gehen werden.

Rechtliche Unsicherheit

Auch die finanzielle Direkthilfe des Staates würde Schneiderhan gern in Anspruch nehmen. Soforthilfen von 9000 Euro für drei Monate können kleine Betriebe wie ihrer beantragen. Jedoch sei ihr nicht ganz klar, wie viel Geld ihr eigentlich zustehe. Ständig würden die Voraussetzungen geändert. In welchem Umfang muss zunächst privates Vermögen aufgebraucht werden? Und was ist mit dem Kurzarbeiter-Lohn, den Schneiderhan vorstrecken muss, sich aber später von der Arbeitsagentur zurückholen kann? Auch bei der Handwerkskammer, die Schneiderhans Antrag prüft, herrsche große Unsicherheit. Dort habe man ihr gesagt, dass sage und schreibe zwei Drittel der eingereichten Anträge fehlerhaft seien.

Den Gedanken, ihr Café nach dem Ende des Lockdowns nicht wiederzueröffnen, lässt die Inhaberin indes nicht aufkommen. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen, ausgeschlossen“, sagt sie bestimmt. Ein Grund für ihren Optimismus: Ihre Existenz hängt nicht von dem Café ab. Sie habe ja ihren Mann, auch wenn sie freilich nicht abhängig sein will. Aber beruhigend sei es schon. Ihre Lage sei insofern noch recht „komfortabel“, sagt Schneiderhan. „Ich bin kein Problemkind in dieser Situation.“ Ein bisschen Sorge bereitet ihr allerdings, dass ihre Mitarbeiter sich derweil gezwungen sehen könnten, andere Jobs anzunehmen. Dann müsste sie erstmal neue Leute finden.

Die freie Zeit, die sie nun hat, nutzt Schneiderhan, um in ihrem Café einmal „alles ordentlich durchzufeudeln“. Und sie macht sich Gedanken über neue Angebote für die Zeit nach dem Lockdown. Und privat? „In der ersten Woche habe ich praktisch nur gelesen.“ Das habe richtig Spaß gemacht. Ansonsten erfreut sich die 57-Jährige an ihrem Garten, neulich habe sie die Rosen hinterm Haus geschnitten. Für diese Möglichkeiten ist sie dankbar. Sie weiß: Für Menschen, die in einer kleinen Wohnung leben, nun im Homeoffice arbeiten und außerdem noch die Kinder daheim betreuen müssen, ist es noch deutlich härter, diese schwierige Phase durchzustehen.

Elisabeth Schneiderhan. Bild: Karl-Heinz Kuball

Elisabeth Schneiderhan. Bild: Karl-Heinz Kuball

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Erstellt:
04.04.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 42sec
zuletzt aktualisiert: 04.04.2020, 01:00 Uhr

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