Jugend rebelliert gegen Nazis. Stilistisch verwegen, ohne den üblichen Gedenk-Zement.

Edelweißpiraten

Jugend rebelliert gegen Nazis. Stilistisch verwegen, ohne den üblichen Gedenk-Zement.

24.11.2015

Von che

Edelweißpiraten

Wir waren die Schmuddelkinder des Widerstands?, sagt Jean Jülich, einer der letzten noch lebenden Edelweißpiraten. Das lag zum einen an der proletarischen Herkunft dieser antinazistischen Jugendbewegung, und an ihrem ruppigen Auftreten, das so manchem HJ-Bürschchen eine ordentliche Tracht Prügel eintrug. Aber eben auch an der Tatsache, dass sie noch lange nach dem Krieg zu unpolitischen Rabauken oder gar Kriminellen stigmatisiert wurden. Während Jülich und andere in Israel schon 1984 als „Gerechte unter den Völkern? geehrt wurden, kam in Deutschland niemand auf die Idee, sie in eine Reihe mit den Scholls und Stauffenbergs zu stellen.

Richtig ist, dass es weniger politisches Bewusstsein war, das diese jungen Leute in Opposition zu den Nazis trieb, als ästhetisches Empfinden und ein unbestimmter Freiheitsdrang. Genau so wahr ist, dass viele von ihnen Juden versteckt, Zwangsarbeitern geholfen und Sabotageakte unternommen haben. Die Gruppe um Jülich und den geflohenen KZ-Häftling Hans Steinbrück hat sogar geplant, das Kölner Gestapo-Hauptquartier in die Luft zu sprengen. Von dieser Episode erzählt Niko von Glasows beeindruckender Spielfilm.

Bekommt der deutsche Widerstand damit ein weiteres filmisches Denkmal? Ja und nein. Einerseits lässt Glasow seinem Respekt vor dieser Bande freien Lauf: ihrem Lebenshunger, ihrer ungestümen Romantik, ihrem halbstark rebellischem Geist. Im Gegensatz zum Film über Sophie Scholl verzichtet er jedoch darauf, sie zu Übermenschen zu stilisieren, vor denen man nur in lähmender Ehrfurcht erstarren kann. Was wir sehen sind normale Jungs mit gewöhnlichem Mut, gewöhnlicher Angst und gewöhnlichen Charakterschwächen. Man musste kein moralischer Herkules sein, um die faschistische Marschkolonne wenigstens phasenweise ins Stolpern zu bringen.

Erfrischend ist auch die Machart. Endlich mal nicht diese bieder braungetönte Standard-Ästhetik des Nazizeit-Films. Hier wirken eine nervös pulsierende Handkamera, die gespenstische Bombenkrater-Landschaft und die Musik Django Reinhardts perfekt zusammen, um das romantisch Verträumte wie auch das schlußendlich Alptraumhafte dieses denkwürdigen Piratenlebens auf den Punkt zu bringen

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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