Jazz- und Klassiktage

Ein Festival wird volljährig

Am Wochenende beginnt wieder ein Konzertreigen mit 60 Terminen.

14.10.2016

Von Wilhelm Triebold

Vor 18 Jahren hatten einige Aktivisten eine zündende Idee, als sich wieder mal drei Jazzveranstaltungen gegenseitig Konkurrenz machten. Warum nicht lieber alles zum Festival bündeln? Seither schaffen es die Jazz- und Klassiktage, mit Mini-Budget, breit gestreutem Engagement und Organisationstalent die regionale Musikszene einmal im Jahr zum Paket zu schnüren.

Das alte Moltke-Motto, hier etwas abgewandelt: „Getrennt musizieren, vereint schlagen“. Nimmt man jede Veranstaltung für sich, würde sie oft nur halb so viel Publikum anlocken wie im Festivalverbund, schätzt Sven Gormsen. Er ist mit Pianist Martin Trostel und einer Handvoll weiterer Aktivisten derjenige, der die Jazz- und Klassiktage vorsortiert und koordiniert. Die Konzerte selbst werden von vielen einzelnen Veranstaltern ausgerichtet, darunter Profis und Nebenerwerbs-Impresarios.

Die Festivalmacher können sich auf die reichhaltige Jazz- und Klassikszene nicht nur in Tübingen, sondern auch in der Region verlassen. Überhaupt richten sich die Jazz- und Klassiktage, die mit einem heutigen Freitagspräludium aus drei Terminen jetzt am Wochenende beginnen, immer mehr aufs Regionale aus. Seit vergangenem Jahr ist das Festival stärker denn je in der näheren Umgebung verankert und weicht auch an Standorte wie Hechingen und Herrenberg, Dettingen oder Betzingen aus. Der Blick aufs „regionale Hinterland – wir können stolz drauf sein“, sagt Trostel.

Doch sind die Jazz- und Klassiktage zuallererst eng mit Tübingen verbandelt. Und dabei nun auch wieder besonders mit dem hiesigen Handel und Gewerbe samt deren Verein. „Ein Drittel unserer wesentlichen Einkünfte kommt vom Tübinger Einzelhandel“, rechnet Gormsen vor. Daneben ist die Kreissparkasse verlässlicher Sponsor, außerdem trägt die Stadtkasse ihr Scherflein bei. Im nächsten Jahr, kündigt Gormsen an, wolle man aber auch stärker auf den Landkreis zugehen.

Hör- und sichtbares Zeichen dieser Verbundenheit ist praktisch zum Auftakt die Aktion „BeSwingt einkaufen!“ am Samstag. Die Marching Band marschiert, die „Kids“ dürfen mitmachen, in vielen Läden wird musiziert. Ein bewährtes Altstadt-Konzept, diesmal auch ums neu gestaltete Zinser-Eck, und erweitert um die Mühlstraße. Und verkaufsoffen bis 19 Uhr verlängert.

Was ist sonst noch neu zum 18. Geburtstag? Es gibt sogenannte „Apéros“, wie in der Schweiz oder Norditalien (und am „Affenfelsen“) ein musikalisches Appetizer- und Absacker-Programm am Ende des arbeitsreichen Werktags, der Lust auf abendliche Konzerte macht. Und diese Konzerte selber? Können hier nicht alle aufgezählt werden, es sind aber wieder um die 60 Termine. Erstes Highlight ist vielleicht das Eröffnungskonzert am Samstag im LTT mit Altmeister Joe Haider und seinem Orchestra.

Überhaupt die Senioren: Neben Haider (demnächst 80) ragen Dusko Goykovich (84, spielt in neun Tagen mit der Wüste-Welle-Bigband) und Jazz-Lady Sheila Jordan (89, ebenfalls in neun Tagen, dann im Sparkassen-Carré) hervor. Umgekehrt tun die Jazz- und Klassiktage gemeinsam mit „Kulturpartner“ SWR mehr denn je für die sogenannten „Kids“. Schließlich, so Martin Trostel, müsse man die Zuhörer schon in jungen Jahren mit Musik in Verbindung bringen, „sonst tut man sich später schwerer.“ Aber auch in der Musikszene gehe es darum, „für Nachwuchs zu sorgen“. Denn „es kann nur weitergehen, wenn nicht immer nur die Alten weitermachen.“

Die Tübinger Jazz- und Klassiktage möchten nach eigenem Verständnis „nicht das x-te Festival
sein, das einfach nur Leute von außen engagiert“, sagt Sven Gormsen, und nicht einfach nur „Konzertle an Konzertle hängen“. Dass es doch wieder doppelt so viel Jazz- wie Klassiktermine wurden, sei ein Manko. Man arbeite aber dran.