Fotokunst

Ein Stück Straße an der Wand

Sechs mal zwei Meter: ein Straßenabschnitt fast im Originalformat. Steffi Schöne zeigt nur fünf Bilder im Horber Rathaus – aber die machen mächtig Eindruck.

28.01.2017

Von Michael Zerhusen

So eine Art Fotowettbewerb: Unser Fotograf fotografiert die Fotokünstlerin Steffi Schöne, wie sie (zu dokumentarischen Zwecken) ihre Fotoarbeit fotografiert. Bild: Kuball

So eine Art Fotowettbewerb: Unser Fotograf fotografiert die Fotokünstlerin Steffi Schöne, wie sie (zu dokumentarischen Zwecken) ihre Fotoarbeit fotografiert. Bild: Kuball

Wolfgang Schuster und seine Frau Stefanie erkundigen sich eingehend nach technischen und gestalterischen Details. Der Ex-OB der Landeshauptstadt ist am vergangenen Samstag in die Edith-Wahlandt-Galerie gekommen, um sich die Werke von elf Kunstschaffenden anzuschauen – darunter Steffi Schöne aus Horb. In der Galerie in Stuttgart hat sie vor gut fünf Jahren ihre erste Einzelausstellung in Deutschland präsentiert. Jetzt spricht das Ehepaar Schuster mit der 37-Jährigen über deren jüngstes Fotografie-Projekt „on the road“.

Eine knappe Woche später ist es wieder ein Oberbürgermeister, der sich Schönes Wirken widmet: Peter Rosenberger begrüßt am Donnerstagabend zur jüngsten Ausstellung „Kunst im Rathaus“. Er sieht die Schau humorvoll: Mit Reparaturarbeiten an städtischen Straßen habe man ihr „den Weg geebnet“, unbewusst seien wohl manche Besucher – gut zwei Dutzend sind gekommen – „über die Exponate gelaufen“.

Gezeigt werden natürlich nicht Straßenteile, sondern deren Abbilder. Bisweilen allerdings in Originalgröße: Steffi Schöne hat im Verwaltungsdomizil am Horber Marktplatz vier raumgreifende Arbeiten installiert (bis zu sechs mal zwei Meter groß, auf Textilfolie), dazu ein kleines (auf büttenähnlichem Rag-Fotopapier wie in in Stuttgart). Wer ins Rathaus kommt, sollte sich das nicht entgehen lassen – ein Abstecher in die Nebengebäude lohnt sich.

An ihrer aktuellen Fotoserie arbeitet Steffi Schöne seit November 2015, kaum dass sie (im August) an den Neckar gezogen war. „Es war eine Geduldsprobe“, bekannte sie am Donnerstag, verbunden mit einem „Lernprozess“ bei immer neuen Versuchen, die Realität in ihre eigene Bildsprache zu übersetzen. „Meine Arbeit beginnt oft mit einer beiläufigen Beobachtung“, und wenn sie versuche, dem Gesehenen kraft Fotografie „ungeahnte Qualitäten zu entlocken“, könne sich das über Wochen und Monate hinziehen.

Für ihre Debütausstellung bei Edith Wahlandt im Herbst 2011 hatte sie Konferenzstühle und -tische und deren Metallgestelle in den Blick genommen und gleichsam neu arrangiert (Titel: „Mise en Scène“). Diesmal hat Steffi Schöne bei einem Spaziergang mit Freunden seltsame Linien auf dem Asphalt entdeckt – und war fasziniert. Die Idee für ihr Projekt „on the road“ entstand, sie fotografierte diese mit Bitumen ausgebesserten Straßenabschnitte, machte zahlreiche Detailaufnahmen, die sie anschließend digital zu einer neuen Bildkomposition zusammensetzte.

Das allerdings erwies sich als mühsamer Prozess: Änderten sich die Lichtverhältnisse oder schien ihr ein anderer Bildausschnitt wünschenswert, musste die Künstlerin gleichsam von vorn beginnen. Der ungewöhnliche Aufwand setzte sich bis in die Ausstellungsvorbereitung fort. Steffi Schöne dankte in diesem Zusammenhang der Horber „Kunstchefin“ Agnes Maier für deren professionelle Unterstützung und den Sponsoren (Sparkassenversicherung, LBBW-Stiftung, Stadt Horb) für die finanziellen Voraussetzungen.

Wer im Horber Rathaus vor der vergrößerten Struktur des Asphalts und den rätselhaften schwarzen (Bitumen-)Linien steht, weiß was die Kunsthistorikerin Dr. Heiderose Langer meint, wenn sie sagt: „Steffi Schöne fokussiert ihren fotografischen Blick auf die gewöhnlichen Dinge, Strukturen und Gesten des Alltags und das ihnen innewohnende Veränderungspotential.“ Die Geschäftsführerin der Kunststiftung Erich Hauser hält die Beobachtung alltäglicher Dinge und Situationen „grundlegend für die künstlerische Praxis von Steffi Schöne“.

Freilich nur als Ausgangspunkt: Auch „on the road“ blendet die räumlichen Bezugspunkte aus, abstrahiert das gegenständliche Motiv, und so ergeben die Linien und Strukturen neue Assoziations- und Deutungsmöglichkeiten. „Der konkrete Ort“, so Langer, „ist nicht lokalisierbar, in den Motiven summieren und überlagern sich Bitumenlinien, Asphaltschichten, Pfützen und Schatten zu malerischen und graphischen Elementen.“ Die Künstlerin selbst sagt: „Mich interessiert, wie sich Dinge vor der Kamera wandeln lassen. Was lässt sich durch ein Foto vermitteln und was bleibt Projektion des Betrachters?“

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Erstellt:
28.01.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 28.01.2017, 01:00 Uhr

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