Horb · Justiz

Ein Zeuge meldet sich zu spät – und stellt Bedingungen

Nach dem Urteil des Landgerichts Rottweil gegen zwei wegen des Mordes an Michael Riecher angeklagte Männer kam dort ein Brief an.

20.05.2020

Von Manuel Fuchs

Am Nordstetter Wohnhaus des Angeklagten in der Ritterschaftsstraße 15, das inzwischen abgerissen wurde, soll weitere Beute aus dem Verbrechen an Michael Riecher versteckt gewesen sein. Bild. Manuel Fuchs

Am Nordstetter Wohnhaus des Angeklagten in der Ritterschaftsstraße 15, das inzwischen abgerissen wurde, soll weitere Beute aus dem Verbrechen an Michael Riecher versteckt gewesen sein. Bild. Manuel Fuchs

Das Landgericht Rottweil hat am 8. Januar zwei Männer wegen räuberischer Erpressung zu Freiheitsstrafen von sechs und viereinhalb Jahren verurteilt. Angeklagt waren sie wegen des Mordes am Nordstetter Michael Riecher; die Tötungshandlung konnte jedoch keinem der beiden eindeutig zugeordnet werden. Das Gericht ging davon aus, dass die Männer bei der Tat etwa 3000 Euro erbeuteten; über höhere Summen war immer wieder spekuliert worden. Mehrere Prozessbeteiligte haben gegen das Urteil Revision eingelegt, über die der Bundesgerichtshof (BGH) befinden wird.

Nun ist das Gerücht in der Welt, kurz nach dem Urteilsspruch sei ein Brief beim Landgericht Rottweil eingegangen. Der Schreiber behauptet, er wisse, wer Michael Riecher getötet habe und was mit einer mutmaßlichen weiteren Beute geschehen sei. Dieses Wissen wolle er preisgeben, wenn er im Gegenzug Vorteile in einem Verfahren gegen ihn erhalte.

Im Mordprozess waren einige Männer vernommen worden, die im Komposthaufen auf dem Anwesen des ersten Angeklagten nach Teilen der Beute aus der räuberischen Erpressung gegraben haben sollen. Gegen sie wurde seinerzeit teils wegen anderer Delikte ermittelt. Die Annahme liegt nahe, dass der Autor des fraglichen Briefs in diesem Personenkreis oder seiner unmittelbaren Umgebung zu suchen ist.

Das Landgericht Rottweil wollte dies Existenz dieses Briefes weder bestätigen noch dementieren. Frank Grundke, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil, bestätigt den Sachverhalt jedoch grundsätzlich: „Es gibt Hinweise auf eine weitere Aussage.“

Zunächst müsse allerdings der BGH über die Revision entscheiden: Verwirft er sie, werden die Urteile gegen die beiden Männer rechtskräftig. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund neuer Beweise ist laut Strafprozessordnung nur möglich, wenn eine Entwicklung zugunsten des oder der Verurteilten zu erwarten ist. Dies ist hier allerdings nicht der Fall. Eine Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten stellt den Rechtsstaat vor höhere Hürden.

Hebt der BGH das Urteil aus rechtlichen Gründen auf und verweist es zurück ans Landgericht Rottweil, findet keine neue Beweisaufnahme statt. Lediglich das Strafmaß wird neu verhandelt.

Warten auf den BGH

Die neue Zeugenaussage kann allein dann gerichtlich gewürdigt und geprüft werden, wenn der BGH das Urteil der ersten Instanz wegen Verfahrensfehlern aufhebt. Dann beginnt der ganze Prozess vor einer anderen Kammer des Landgerichts Rottweil neu – inklusive Beweisaufnahme. Ein möglicher Deal – Aussage im einen Prozess gegen Strafmildung im anderen – müsse für alle Beteiligten transparent gemacht werden, betont Knut Rössler, Anwalt einer Nebenklägerin.

Die Frist zur Begründung der Revisionen läuft heute ab. Die Prozessakten liegen dem BGH noch nicht vor, wie von der dortigen Pressestelle zu erfahren war. Über den weiteren Zeitrahmen und den möglichen Termin des Revisionsspruchs könne man daher keine Auskunft geben.

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Erstellt:
20.05.2020, 17:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 21sec
zuletzt aktualisiert: 20.05.2020, 17:30 Uhr

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