Berliner Radverkehr

Palmer: „Aufforderung zum Selbstmord“

Der Tübinger OB Boris Palmer erneuert nach einer Rundfahrt durch Berlin seine Kritik. Die Radwege seien bedrohlicher als ein Gang über einen Kreuzberger Drogen-Umschlagplatz.

21.02.2019

Von Maria Neuendorff

Der Berlin-Checker Boris Palmer auf Hauptstadt-Tour  hier am Potsdamer Platz. Foto: Christoph Soeder/dpa

Der Berlin-Checker Boris Palmer auf Hauptstadt-Tour hier am Potsdamer Platz. Foto: Christoph Soeder/dpa

Ganz so idyllisch hätte sich Boris Palmer den viel gescholtenen Görlitzer Park nicht vorgestellt. Kitakinder spielen auf dem Bauernhof, Jogger drehen ihre Runden, auch die Polizei ist heute mal präsent. Die afrikanischen Drogendealer in ihren schwarzen Kutten haben sich in die Büsche geschlagen oder an diesem Vormittag noch gar nicht ihren Dienst angetreten, während der Tübinger Oberbürgermeister mit einem Tross von Journalisten und Berliner CDU-Abgeordneten die angebliche No-Go-Area für Nichtkiffer betritt.

Es ist die dritte und letzte Station auf einer kurzen Berlin-Rundfahrt, zu der ihn die CDU-Fraktion eingeladen hat. Anlass war ein hämisches Zitat des Schwaben über die Hauptstadt: „Wenn ich in Berlin ankomme, denke ich immer: Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands“, hatte Palmer im Dezember öffentlich gelästert. „Wir wollen ihm zeigen, wo es gut läuft in Berlin und wo es unserer Meinung nach besser laufen könnte“, erklärt nun Burkard Dregger, CDU-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus.

Wie geschmiert läuft es bei der Messe Berlin. Mit knapp 350 Millionen Euro erzielte die landeseigene GmbH im vergangenen Jahr erneut einen Rekordwert, erfährt Palmer während eines Rundgangs im 2014 eröffneten Citycube. Über eine 3D-Brille wird ihm das „multifunktionale Großraumwunder“ mit 10.000 Quadratmetern säulenfreier Kongressfläche vorgeführt, das im April als Messe-Anbau eröffnen soll. „Die wirtschaftlichen Zahlen sind beeindruckend“, gesteht Palmer. „Auch wenn die ökologische Komponente wie zum Beispiel Solarpanelen auf dem Dach fehlen.“

Jute-Beutel über der Schulter

Den Jute-Beutel mit der Aufschrift „More Berlin“ der Messe hängt sich der Grünen-Politiker aber gerne über die Schulter. Auf dem Weg nach Berlin-Mitte bemängelt er vor allem, dass der öffentliche Raum ähnlich wie in Stuttgart vor allem den Autos vorbehalten sei. Und er liefert gerne auch weiter zugespitzte Zitate: „Radwege, die im Nichts enden, sind für mich eher eine Aufforderung zum Selbstmord“, wettert Palmer an der Leipziger/Ecke Friedrichstraße. Statt eines Radstreifens steht dort eine Kontrollmessstelle in einem Mercedes-Transporter auf dem engen Gehweg.

Seit Tempo 30 eingeführt wurde, hätten sich die Luftwerte kaum verbessert, berichtet Dregger dem studierten Mathematiker aus Baden-Württemberg. Der hält ähnlich wie die CDU nicht viel von Diesel-Fahrverboten. Muss er auch nicht. „In Tübingen werden drei Viertel aller Wege ohne Auto abgewickelt“, berichtet er stolz.

Am Vorabend hat Palmer schon vor einer Landesverkehrsgruppe der Grünen einen Vortrag über die Verkehrswende in Süddeutschland gehalten. Dass ihn die wichtigen Berliner Partei-Kollegen nicht einladen und Antje Kapek ihn im „Tagesspiegel“ als „Irren“ bezeichnete, nimmt er gelassen. Tatsächlich scheint er sich in seiner neuen Rolle als Berlin-Experte zu gefallen, aber auch nicht alles bitterernst zu nehmen. Schon am Morgen postet er auf Facebook unter der Überschrift: „Start in den Tag“ die Nachricht von einem Stromausfall im Berliner Osten mit 30.000 betroffenen Haushalten. Nun, im Görlitzer Park, lässt er sich nicht auf die Seite der CDU ziehen, die gerne ihre Null-Tolleranz-Strategie zurückhaben würde, welche der rot-rot-grüne Senat ablehnt. „Von den Drogen-Problemen habe ich nichts gesehen, ich werde mir den Park am besten einfach mal alleine angucken.“

Hasenheide, Zoo und andere schöne Seiten

Ob er in Berlin auch schöne Orte kenne? Diese Frage konnte Boris Palmer bei seiner Tour durch die Hauptstadt durchaus bejahen: Er nannte den Volkspark Hasenheide und erinnert sich an einen Minigolfplatz, so etwas vermisse er in Tübingen.

Außerdem sehenswert für den Tübinger OB: Als er am Wochenende mit der Familie in Berlin unterwegs war, habe er auch den Zoo besucht. „Ich habe eine halbe Stunde den Pandas beim Bambus-Kauen zugeschaut, das war sensationell. Das kann man sonst nirgendwo in Deutschland sehen.“

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Erstellt:
21.02.2019, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 21.02.2019, 06:00 Uhr

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