Mit Engelszungen

Eine Frage der Flagge

Neulich habe ich ein Land besucht, das bei meiner Abreise noch die gleiche Flagge hatte wie bei meiner Ankunft. Wer das als banale Selbstverständlichkeit erachtet und die Erkenntnis als Pennäler-Philosophie abtut, dem ist entgangen, dass Neuseeland in den vergangenen Wochen und Monaten darüber abstimmen ließ, ob die alte Flagge mit dem britischen Union Jack eingemottet und ein neues Nationaltuch aufgezogen werden soll. Nicht zuletzt deshalb, weil viele Neuseeländerinnen und Neuseeländer immer wieder darunter leiden, dass ihre Fahne oft mit der nahezu identisch aussehenden australischen Flagge verwechselt wird.

26.04.2016

Von Thomas de Marco

Die alteingesessene Flagge Neuseelands (links) hat sich doch gegen den Herausforderer mit dem Silberfarn durchgesetzt. Bild: de Marco

Die alteingesessene Flagge Neuseelands (links) hat sich doch gegen den Herausforderer mit dem Silberfarn durchgesetzt. Bild: de Marco

Zunächst wurden aus einigen Vorschlägen von Profis und unzähligen Einsendungen aus der Bevölkerung fünf Motive ausgewählt, die dann gegen die bisherige Flagge antreten durften. Diese Alternativen wurden in allen Variatonen publik gemacht – als wehende Fahne, als Painting im Gesicht, als Aufnäher auf dem Rucksack, als Banner auf Halbmast oder flatternd bei einer großen Veranstaltung. Durchgesetzt hat sich dabei der Vorschlag, der den für Neuseeland so typischen Silberfarn mit dem bereits auf der alten Flagge vertretenen Sternbild „Kreuz des Südens“ kombinierte.

Beim finalen Referendum im März trat diese Neuschöpfung gegen das seit 1869 gehisste neuseeländische Nationaltuch an – und wurde glatt abgelehnt: 56,6 Prozent der über 2,1 Millionen Kiwis, die sich an der Abstimmung beteiligt haben, hielten der alten Fahne die Treue. Sehr zum Leidwesen von Premierminister John Key, der in der Hoffnung auf eine neue Flagge 26 Millionen neuseeländische Dollar investiert hatte – was keineswegs überall auf Gegenliebe gestoßen ist.

Auch ein Neuseeländer, den es vor 25 Jahren der Liebe wegen nach Deutschland verschlagen hatte, wäre froh, wenn der Silberfarn künftig offiziell gehisst werden könnte: „Ich liebe diesen Farn, der stark mit Neuseeland und vor allem mit der Rugby-Nationalmannschaft verbunden ist. Den kennen auch Fremde gut“, sagt Derek Peterson, 45, der auf dem Göllesberg bei Unterhausen wohnt.

Allerdings muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er selbst nichts dafür getan hat, die etablierte Fahne seines Heimatlandes einzuholen und die neue aufzuziehen: „Ich habe leider nicht abgestimmt, weil ich zu viel um die Ohren hatte“, gibt der Spritzguss-Techniker zu. Schon alleine, um den Gewinn des zweiten Weltmeistertitels in Serie im Rugby im vergangenen Jahr noch einmal zusätzlich zu adeln, hätte er für die Flagge mit dem Silberfarn gestimmt.

Warum seine Landsleute aber mehrheitlich für den Status quo an der Fahnenstange votiert haben, kann sich Peterson, der eben auch schon ein Vierteljahrhundert lang in Deutschland und damit auf der anderen Seite der Weltkugel lebt, auch nicht so richtig erklären. Einen Verdacht hat er allerdings: „Ich glaube, die Neuseeländer sind einfach konservativer, als wir hier denken. Aber sie sind auf jeden Fall auch sehr offenherzig.“

Das gilt im Übrigen auch für ihr Verhältnis zur gescheiterten neuen Flagge, die bei der Abstimmung doch ein bisschen alt ausgesehen hat gegen das alteingesessene Hoheitszeichen: Vor vielen Häusern in Neuseeland flattern auch nach dem Referendum noch beide Versionen – und manche Kiwis haben sich sogar gleich ganz für die neue Variante entschieden.

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