Foto-Installation: „Brücke der Menschlichkeit“

Eine Freiluft-Fotoschau porträtiert Todkranke

Zwei Wochen lang gastiert die Ausstellung „Brücke der Menschlichkeit – Leben und Sterben im Hospiz“ im Alten Botanischen Garten in Tübingen.

05.10.2016

Von Monica Brana

Die Ausstellung „Brücke der Menschlichkeit“ ist derzeit zu sehen: in den Bäumen des Alten Botanischen Gartens. Bild: Sommer

Die Ausstellung „Brücke der Menschlichkeit“ ist derzeit zu sehen: in den Bäumen des Alten Botanischen Gartens. Bild: Sommer

Zum ersten Mal in der Öffentlichkeit sichtbar sei das Thema „Sterben im Hospiz“ in Tübingen, sagte Alexander Marmé zu den etwa 50 Interessierten, die am Freitagabend in den Alten Botanischen Garten gekommen waren. Der Erste Vorsitzende des 2013 gegründeten Vereins „Ein Hospiz für Tübingen e.V.“, der sich für die Gründung eines stationären Hospizes in Tübingen einsetzt, eröffnete die Ausstellung. Diese thematisiert individuelle Sterbeschicksale in hospizlicher Umgebung. Zwischen den Platanen im nordöstlichen Teil des herbstlichen Parks hängen bis zum 14. Oktober 38 Fotogroßdrucke. Je nach Lichteinfall muss der Betrachter sich einen Schritt hin- oder herbewegen, will er erkennen, was gezeigt wird.

In seinem Grußwort betonte Landrat Joachim Walter, der Tod betreffe jedermann und trage auch beglückende Momente in sich, wie anhand einiger Bilder deutlich werde. „Wir müssen ein Stück weniger Angst haben vor dem Tod“, sagte er. Als Gynäkologe und Palliativmediziner befürwortete Marmé die mitten in der Stadt sichtbare Fotoinstallation: „Jeder, der hier zufällig vorbei kommt, begegnet der Ausstellung.“ Sie zeige die Lebendigkeit der Sterbenden und ihr soziales Umfeld. Heutzutage sei die letzte Lebensphase oftmals durch Einsamkeit geprägt. „Ein Hospiz dient als Katalysator: Trotz Sterbens soll die Nähe zu Angehörigen erhalten bleiben.“ Generell wolle ein Hospiz dem Sterben Raum geben und auf jeden Gast individuell eingehen, erklärte Marmé. Seine Beobachtung sei, dass diese letzte Phase für viele Menschen tatsächlich die einzige selbstbestimmte Zeit ihres Lebens sei.

Die ausgestellten Fotos entstanden während einer anderthalb Jahre andauernden Zusammenarbeit der beiden Fotografen Anna-Lisa Lange und Johannes Wosilat mit Hospiz- und Palliativdiensten in Hessen. Auf den Bildern zu sehen sind lachende, besorgte oder auch an ihrem angestammten Platz fehlende Menschen, Greise, Angehörige, die ihre Mutter und Großmutter umarmen. Aus der Mitte des Lebens gegriffen wirken ein Akkordeonspieler und eine sterbende Mutter mit Kleinkind. Alltäglich wirken die Fotos und dabei tiefgründig. Von welkem Laub umgeben vermischen sich nachdenkliche Sterbeeindrücke mit lebhaftem Alltagstrubel im Tübinger Park.

„Ich weiß nicht, ob ich in mich in der gleichen Situation fotografieren lassen wollte“, zollte Lange den Fotografierten ihren Respekt. „Mit Sterbenden erlebt man absoluten Tiefgang – die erzählen dir, was sie beschäftigt.“ Allerdings sei vielen Menschen, die sie begleitet hätte, schwarzer Humor sehr wichtig. „Galgenhumor ist das dann“, sagte Lange. „Zu sterben bedeutet nicht, tot zu sein, sondern lebendig“, resümierte die 28-Jährige ihre über die Jahre gesammelten Eindrücke. Und der Stuttgarter Werbefotograf Wosilat erklärte, wie er nach dem Tod seines Großvaters im Jahr 2011 das Fotokonzept der Sterbefotografie aufnahm.

„Das Ziel unserer Ausstellung hier ist, dass wir sie an einem Ort platzieren wollten, wo die Leute nicht damit rechnen – das schaffen wir nicht in geschlossenen Räumen“, sagte der 30-jährige Wosilat. „Hier im Park können die Leute auch mal wegsehen oder weggehen, wenn das Thema sie zu sehr belastet.“ Dem Thema Sterben wollten er und Lange Leichtigkeit verleihen, erklärte er.

Nach der Ausstellung ist auch ein Bildband geplant

Die Mehrzahlder ausgestellten Fotografien stammt von Anna-Lisa Lange. Durch ihre frühere Tätigkeit als Redaktionsassistentin beim Südwestrundfunk in Tübingen (2008) seien über SWR-Chef Andreas Narr die Kontakte zu Alexander Marmé und zu Landrat Joachim Walter und schließlich die Tübinger Ausstellung zustande gekommen.

Das Thema der Sterbebegleitung wird die beiden Fotografen auch künftig beschäftigen. Für 2017 plant Wosilat die Herausgabe eines Bildbandes, in welchem Autorin Patricia Leßnerkraus die Einzelschicksale fotografierter Sterbender beschreiben wird. Zudem kooperieren Lange und Wosilat derzeit mit Hospizen im Stuttgarter Raum und dem Koch Jörg Ilzhöfer, der regelmäßig die Lieblingsgerichte von Esslinger Hospizgästen kocht.