Hau&Holzwiese

„Nicht zu ersetzendes Stück Natur“

Der NABU Horb hat eine Stellungnahme zum geplanten Ahldorfer Gewerbegebiet verfasst. Er appelliert darin „dem ökologisch nicht zu verantwortenden Vorhaben ein Ende zu setzen“.

13.10.2018

Von Dagmar Stepper

Für die einen eine Idylle, für die anderen eine potentielle Fläche für Gewerbeentwicklung: der Ahldorfer Hau & Holzwiese.Bild: Kuball

Für die einen eine Idylle, für die anderen eine potentielle Fläche für Gewerbeentwicklung: der Ahldorfer Hau & Holzwiese.Bild: Kuball

Mit dem Hambacher Forst will NABU-Vorsitzender Lambert Straub das geplante Gewerbegebiet in Ahldorf nicht unbedingt vergleichen. „Braunkohleabbau ist noch eine ganz andere Nummer“, sagt er auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE. Aber es drängen sich Parallelen auf: „Es ist ein schwerer Eingriff, darüber sind sich die Verantwortlichen nicht im klaren. Wenn das Gewerbegebiet kommt, bleibt nicht mehr viel Wald übrig.“ Straub ist enttäuscht, dass die Stadt die angebotene Hilfe des NABU nicht angenommen hat. „Wir haben am 3. Januar gebeten, am Verfahren beteiligt zu werden“, sagt er. Aber außer einer Skizze hat er nichts bekommen. „Wir waren überrascht, dass es jetzt auf einmal Gutachten gibt“, wundert sich Straub. Er hat sie durchgeforstet und eine Stellungnahme zum Gewerbegebiet formuliert. Diese hat er gestern der Presse zukommen lassen. „Damit es nicht heißt, wir würden alles in Ordnung finden.“

Grundsätzlich ist Straub kein Gegner von Gewerbeentwicklung. Allerdings sollte sie behutsam sein. Er fordert eine sorgfältige Prüfung, wo es möglich ist. In Horb würden viele Gebäude leer stehen, im Industriegebiet Heiligenfeld gibt es ein Industriegleis. Aber in Ahldorf sollte es zu keinem Gewerbegebiet kommen. „Wir reden über Blumenwiesen für Insekten und zerstören einen Wald. Das können wir uns nicht erlauben.“

Welche Gründe der NABU Horb für seine Ablehnung des Ahldorfer Gewerbegebiets anführt, drucken wir hier im Wortlaut ab:

„Zur ökologische Wertigkeit des Waldgebiets: In der Standortanalyse gab es keine Hinweise auf besonders zu beachtende umweltfachliche Aspekte, da keine kartierten Biotope, Schutzgebiete oder FFH-Gebiete im oder angrenzend zum Plangebiet vorhanden sind. Eine gewisse ökologische Wertigkeit der bestehenden Dolinen – dargestellt in der Waldbiotopkartierung – könnte gegeben sein. Der NABU Horb wurde hinsichtlich der öffentlichen Aussage zu einem ‚erheblichen ökologischen Eingriff‘ zu Erkenntnissen zum Plangebiet angefragt, konnte aber hierzu bislang keine Anhaltspunkte beitragen.

Zu dieser Aussagen der Verwaltung hat der NABU Horb folgende Anmerkung: Der NABU Horb wurde am bisherigen Verfahren von der Stadt nicht beteiligt. Nach einer schriftlichen Anfrage am 3. Januar 2018 erhielt der NABU Horb lediglich eine grobe Skizze des Plangebiets, die bereits in der Zeitung abgebildet war. Ansonsten bekam der NABU Horb von der Stadt keinerlei Informationen über den Umfang des geplanten Eingriffs. Es wurde darauf verwiesen, dass der NABU Horb zu gegebener Zeit wie alle Naturschutzverbände am Verfahren beteiligt würde. Kenntnisse zum Plangebiet könne der NABU jedoch gerne der Stadt mitteilen. Der NABU Horb hat seither darauf gewartet, dass er von der Stadtverwaltung konkretere Informationen zur Planung und den laufenden Untersuchungen erhält und am Verfahren beteiligt wird.

Schon bei der Ortschaftratssitzung im Januar 2018 hat der NABU Horb aber betont, dass es ökologisch nicht vertretbar ist, einen intakten und wertvollen Wald für ein Industriegebiet zu opfern. Mit nur 31 Prozent Waldanteil hat Horb bereits jetzt deutlich weniger Waldanteil als der Landesdurchschnitt mit 38 Prozent.

Zu erwähnen ist noch, dass durch den notwendigen Bau der Hochbrücke schon einiges an Wald gefällt wurde und noch gefällt werden muss und dies in nicht allzu weiter Entfernung von der jetzigen Planfläche.

Gerade im Hinblick auf unsere Klimaziele dürfen wir in Horb unsere Wälder nicht abholzen, sondern müssen diese biologisch vielfältigen Lebensräume mit ihrer Funktion als Klimaschützer, Klimaregulierer, Luftreiniger, Wasserspeicher und wertvolle Habitate für viele Tiere und Pflanzen erhalten. Wald schützt also unsere Umwelt und schafft rundherum ein gutes Klima.

Hierzu äußert sich auch der Forst Baden-Württemberg: ‚Die Blätter der Bäume wirken wie ein großes Reinigungssystem, das Schadstoffe und Staub aus der Luft filtert. Die sprichwörtlich ‚gute Waldluft‘ ist also keine verklärte Erfindung, sondern beruht genau auf eben diesem Effekt. Der Waldboden mit Unmengen von Wurzeln, feiner Gänge, Hohlräume und Poren hat gleich drei Schutzfunktionen. Er mildert Witterungsextreme, indem er große Niederschlagsmengen speichert und bei Trockenheit eingelagertes Wasser nur langsam abgibt.

Er filtert versickerndes Oberflächenwasser; Schadstoffe und Verunreinigungen werden dem Wasser entzogen. Er schützt wirksam vor Erosion – also dem Abtrag des Bodens. Besonders wichtig ist dieser Schutz für die Hanglagen unserer Hügel- und Gebirgslandschaften. Nicht zu Vergessen ist die Fähigkeit der Bäume, innerhalb der Photosynthese aus Sonnenenergie und CO2 Biomasse und Sauerstoff zu erzeugen. Das klimarelevante Gas CO2 wird im Holz eingelagert und dort bis zur Zersetzung des Holzes gespeichert.‘

Der NABU Horb kann der Interpretation der Stadt, dass es im Plangebiet ‚keine besonders zu beachtende umweltfachliche Aspekte gibt‘, in keiner Weise folgen. Es ist auch nicht korrekt, dass es in dem Plangebiet keine kartierten Biotope gibt. Die Dolinen in dem Wald sind alle als besonders geschützte Waldbiotope kartiert. Das schöne, fast unangetastete Dolinen-Vorkommen sucht im weiten Umkreis Seinesgleichen. Der Muschelkalk- und Keuper-Untergrund sowie die Hohlräume bergen wertvolle Biotope für die Tier- und Pflanzenwelt. Unter anderem können Hohlräume von Dolinen auch als Winterquartiere für Fledermäuse dienen. Der Verlust dieser Dolinen könnte weder ersetzt noch ausgeglichen werden.

Aus den Voruntersuchungen geht nun hervor, dass zirka 25 bis 30 Prozent der bisherigen Planungsfläche geologisch für eine Bebauung ungeeignet sind.

Zitat aus geologische Voruntersuchung: ‚Im Westen ist zudem die höchste Verkarstungsintensität und Dolinendichte vorhanden, weshalb im Westen von einer Gewerbe- und Industriebebauung abgesehen werden sollte‘. Macht es dann überhaupt Sinn in diesem Gebiet ein Gewerbegebiet zu planen? Der wunderbare alte Ahldorfer Hau mit seinem herrlichen über 150 Jahre alten zirka 500 Meter langen Eichensaum zeigt außerdem alle Eigenschaften eines Natur und Kulturdenkmals. Darüber hinaus bietet er auch viele ökologische Nischen für die Tierwelt – mit dabei Brutreviere für viele Vögel. Insbesondere sind die vielen alten Eichen potentielle Habitatbäume für Fledermäuse und allerlei Käferarten.

Der Verlust dieses über Jahrhunderte gewachsenen Habitats ist nicht durch Neupflanzungen an anderer Stelle ersetzbar oder ausgleichbar, da gerade ältere Eichen für seltene Arten besonders wertvoll sind.

In der Summe ist der Wald mit seinen verschieden ausgestalteten Säumen, der durch mehrere Einbuchtungen schön mit der offenen Landschaft verzahnt ist, ein reiches, erhaltenswertes Habitat für ein weites Artenspektrum und zusätzlich ein wichtiges Naherholungsgebiet für den Ort Ahldorf.

Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag vom Büro Gfrörer lässt die Interpretation und Schlussfolgerung der Verwaltung ‚In der Standortanalyse gab es keine Hinweise auf besonders zu beachtende umweltfachliche Aspekte‘ in keiner Weise zu. Obwohl bisher nur sehr oberflächlich geprüft wurde – es fanden im ganzen nur 3 kurze Begehungen von insgesamt knapp nicht mal 5 Stunden statt (1 x März, 2 x Juli 2018). Bei diesen kurzen Begehungen im Plangebiet wurden bereits 53 Brutvogelarten festgestellt.

Betont werden muss hierbei, dass die Begehungen weitgehend außerhalb der Brutzeit von relevanten Brutvögeln wie beispielsweise Feldlerche, Neuntöter, Schwarzspecht, Grünspecht, Mittelspecht, Rotmilan, Baumfalke, Sperber, Habicht, Waldohreule, Waldkauz und Wespenbussard stattfanden. Bei einer ausführlichen, dem Standard entsprechenden Untersuchung sind noch erheblich mehr Brutvogelarten zu erwarten.

Ebenso kann es in Bezug auf Fledermäuse erhebliche Konfliktpotentiale geben. Nach den in dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag dargestellten Daten der LUBW von jüngeren und älteren Nachweisen könnten im Untersuchungsgebiet potentiell 10 bis 15 streng geschützte Fledermausarten vorkommen oder das Gebiet als Jagdhabitat nutzen. Darunter auch besonders seltene Arten wie Großes Mausohr, Breitflügel- und Bechsteinfledermaus. Wie jüngst das Urteil vom Hambacher Forst zeigt, können sich daraus erhebliche artenschutzrechtliche Konfliktpotentiale ergeben.

Für den NABU Horb ist völlig unverständlich, dass die Stadt Horb in Zeiten des Artensterbens von Insekten-, Vögeln und Fledermäusen die Vernichtung eines Lebensraums von über 53 Brutvogelarten und möglicherweise über 10 Fledermausarten und einer unzähligen Anzahl von Insekten als ‚keinen besonders zu beachtenden umweltfachlichen Aspekt‘ sieht.

Insbesondere würde der Eingriff auch zu einer Verschlechterung der Biotopverbundfunktion führen.

Zitat aus dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag Seite 9: ‚Da die betroffenen Suchräume des Biotopverbundes trockener Standorte im nordöstlichen Teil des Geltungsbereiches völlig zerschnitten werden, ist mit einer erheblichen Verschlechterung der Biotopverbundfunktion zu rechnen. Auch der Eingriff in Kernbereiche und Suchräume des Biotopverbundes mittlerer Standorte beeinträchtigt die Ausbreitung von Arten.‘

Wir brauchen wieder mehr Respekt vor der Natur, denn dieser Wald ist ein nicht zu ersetzendes Stück Natur und ein wertvolles Stück Heimat, das es für uns alle zu schützen gilt.

Der NABU Horb appelliert daher an die Vernunft und das Verantwortungsgefühl aller Entscheider, nach den jetzt vorliegenden Voruntersuchungen dem ökologisch nicht zu verantwortenden Vorhaben ein Ende zu setzen.

Lambert Straub steht neben einer Tanne im westlichen Teil des Ahldorfer Haus. Sie ist zirka 150 Jahre alt. Bild: NABU

Lambert Straub steht neben einer Tanne im westlichen Teil des Ahldorfer Haus. Sie ist zirka 150 Jahre alt. Bild: NABU

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Erstellt:
13.10.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 15sec
zuletzt aktualisiert: 13.10.2018, 01:00 Uhr

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