Wie weit darf Mutterliebe gehen?

Eine Rentnerin wurde am Horber Amtsgericht aufgrund eines betrügerischen Autokaufs verurteilt

Mutter sein ist manchmal nicht einfach. Eine 66-jährige Rentnerin wurde am gestrigen Donnerstag vor dem Horber Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 1600 Euro verdonnert, weil sie ihrer Tochter laut Anklage dabei geholfen hat, bei einem Horber Händler ein Auto zu kaufen, das ohne Bezahlung weiter verscherbelt wurde. Die Mutter beteuerte jedoch bis zuletzt, in gutem Glauben gehandelt zu haben.

27.11.2015

Von Benjamin Breitmaier

Horb. Der Gerichtssaal des Horber Amtsgerichts zeigte sich gestern Morgen still – zu still. Eigentlich hätten neben dem Verteidiger zwei Frauen Platz nehmen sollen, die wegen Betrugs und Beihilfe zum Betrug angeklagt werden sollten. Beide glänzten anfangs durch Abwesenheit. Die Mutter konnte schließlich mit dem Streifenwagen aus einem Horber Teilort geholt werden. Laut ihrer Aussage hatte sie die Vorladung zu Gericht noch nie gesehen. Bei der Hauptangeklagten gestaltete sich die Situation schwieriger. Die 34-Jährige war zum Verhandlungsbeginn in einer Tübinger Klinik zur Akupunktur. Bis 10 Uhr gab ihr der Richter Zeit, in Horb aufzukreuzen. Vergeblich. Von der Klinik ging es direkt zum Arzt, der ihr bestätigen sollte, dass sie nicht im Stande war, an der Verhandlung teilzunehmen. Nach einigen Telefonaten und einem zunehmend genervten Richter wurde das Verfahren geteilt. Sechs Zeugen waren umsonst gekommen, einer durfte bleiben.

Die 66-jährige Mutter saß allein da und musste sich vom Staatsanwalt anhören, was ihr und vor allem ihrer Tochter zur Last gelegt wurde: Ein neues Auto hätte es werden sollen, BMW, 18 000 Euro. Die Mutter ging mit zum Verkaufsgespräch beim Händler. Das war am 23. September 2014. Die Tochter behauptete sie hätte das Geld aus einer Zahlung der Unfallversicherung. Vor zwei oder drei Jahren – die Mutter wusste es nicht mehr so genau – prallte der Nagel einer Baupistole ab und traf die Tochter am Auge. Angeblich hätte die Versicherung der Tochter aufgrund des Unfalls 50 000 Euro ausgezahlt, da das Auge bleibende Schäden erlitt.

Von dem Geld wollte die 34-jährige Tochter ein Auto kaufen. Das mit den 50 000 Euro hätte sie der Tochter aber erst zwei Tage vor dem Verkaufsgespräch erzählt, erklärte die Mutter. Der Richter Christian Ketterer zeigte sich bei den Ausführungen skeptisch: „Ihre Tochter hat ja auch einige Schulden. Haben Sie sie nicht mal gefragt, ob sie mit dem Geld nicht die Schulden tilgen will?“ Die Mutter bejahte, aber „seit dem Unfall komme ich einfach nicht mehr an sie heran.“

Was genau beim eigentlichen Verkaufsgespräch gelaufen sei, konnte der verbliebene Zeuge berichten. Er führte die Kaufverhandlungen: „Ich dachte, es könnte nichts passieren, die beiden wirkten auf mich vertrauenswürdig und sie wohnen auch nicht weit weg“, erklärte er. Aus seiner Sicht sei der Vorfall wie folgt abgelaufen: Nach dem Verkaufsgespräch ging es um die Zahlungsmodalitäten – eigentlich sollte bar bezahlt werden. Doch laut Zeuge spielte das keine große Rolle. Letztendlich wurde vereinbart, dass das Geld bis zum Auslieferungstermin – eine Woche später – überwiesen werden soll. An der Stelle schüttelte die Rentnerin auf der Anklagebank energisch den Kopf. Sie hätte damals auf Barzahlung bestanden und sich nicht einfach nur mit der Überweisung zufrieden gegeben. Der Zeuge sah das anders: „Die Mutter hat gesagt, dann können wir das Geld ja auch überweisen‘.“ So habe sie das nicht gesagt, widersprach die Mutter vehement.

Die Woche verging, kein Geldeingang. Doch beim Abholtermin zückte die Tochter ein Smartphone, auf dem eine angebliche Überweisungsbestätigung zu finden war. So hatte es der Zeuge schon der Polizei geschildert. „Das war mein Fehler“, sagte der Autoverkäufer, er habe den angeblichen Beleg für die Überweisung „nur überflogen. Aber ich konnte ja auch nicht wissen, dass ich so übers Ohr gehauen werde“. Das Auto wanderte in die Hände der Tochter. Doch das Geld blieb sie dem Autohändler schuldig. Mehrere Anrufe, mehrere Besuche – nichts half, laut Zeuge. „Ich habe immer wieder angerufen. Aber sie hatte immer eine weitere Ausrede.“ Zu dem Zeitpunkt, so geht es aus der Anklageschrift hervor, war das Auto bereits weiterverkauft für etwa 13 000 Euro.

Am Ende der Verhandlung schenkte Richter Ketterer dem Zeugen Glauben und erklärte der Mutter, dass sie sich aufgrund der Vergangenheit der Tochter vergewissern hätte müssen, dass das Geld da ist: „Da ging Ihre Mutterliebe zu weit“, sagte Ketterer. Insgesamt wurde die Mutter daher zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt – 1600 Euro, die sie in Raten zu je 400 Euro zahlen kann. Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.