Horb · Gemeinwohl

Einfach, menschlich, gut

Das Solidaritätsessen in der Markthalle zeigte, dass es egal ist, mit wem man an einem Tisch sitzt, solange man sich als Mensch begegnet.

18.10.2019

Von Benjamin Breitmaier

Einfach, menschlich, gut

Es sind geschäftige Tage für die karitativen Organisationen in der Region. Die „Woche gegen die Armut“ läuft bereits mit mehreren Veranstaltungen im gesamten Kreis. Sie soll Menschen zum Nachdenken anregen, soll Schicksale von Personen zeigen, die sonst als gesichtslose Zahlen in Statistiken auftauchen. Es sei wichtig, Armut genau zu definieren: „Hungern muss bei uns niemand“, sagt Rüdiger Holderried, doch Armut zeige sich in unserer Region hauptsächlich dadurch, dass Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.

Der Sozialarbeiter leitet das Caritas-Zentrum in Horb und kümmert sich um den Tafelladen, der etwa 300 Personen in der Region das Leben durch günstige Lebensmittel einfacher macht. „Gleichzeitig gehen wir gegen Lebensmittelverschwendung vor“, so Holderried. Er ist einer der Organisatoren des dritten Solidaritätsessens in der Horber Markthalle, an dem auch das Dekanat, die Bruderhaus Diakonie, die AWO und die Erlacher Höhe beteiligt sind.

Es herrscht geschäftiges Treiben am gestrigen Donnerstagmittag. Das Team der Freudenstädter Tagesstätte Windrad füllt zwischen 11.30 Uhr und kurz vor zwei mehr als 100 Teller mit kräftigem Eintopf – ob mit Fleisch oder ohne. Das Team des Windrad-Bistros mit seinem Leiter Helmut Haist bietet ansonsten an ihrem Freudenstädter Standort einen Ort der Begegnung und bezahlbares Essen. An diesem Donnerstag kümmern sie sich um die Verpflegung der Horber.

Gerade haben 60 Siebtklässler des Martin-Gerbert-Gymnasiums die Markthalle verlassen. Seit einiger Zeit beteiligen sich auch Schulen an der Aktion mit Tafelladenkisten, in denen Lebensmittel gesammelt werden. Ihre eigene volle Kiste brachten die Schüler persönlich vorbei.

Optisch mag die Markthalle nicht der schönste Ort sein, um sein Mittagsmahl einzunehmen – davon zeugen die Glaswolle-Platten an der Decke. „Urban Life“-Design nennt das Wolfgang Günther mit einem verschmitzten Grinsen. Der Leiter der Erlacher Höhe im Kreis Freudenstadt freut sich wie auch Holderried über den Erfolg der Veranstaltung. „Einfach, menschlich, gut“, fasst Günther die Aktion zusammen und postet den knackigen Satz direkt auf Facebook. „Es ist wahnsinnig wichtig für Menschen, dass sie das Gefühl haben an etwas beteiligt zu sein“, erklärt er. In der Tagesstätte Windrad arbeiten ebenso Wohnungslose mit, wie auch am Projekt Solidaritätsessen, das bereits am Dienstag in Freudenstadt stattfand. Das schaffe bei den Menschen ein Gefühl von Sicherheit, einen Ort, an dem sie gebraucht werden. So helfen auch Wohnungslose bei der Aktion „Kunst trotzt Armut“ mit. Sie hängen Plakate auf, unterstützen beim Catering. „Beim Miteinanderarbeiten verschwimmen Grenzen“, meint Günther und schiebt hinterher: „Wenn du zusammen eine Bierbank trägst, ist egal, ob an den Enden ein Chef anpackt oder ein Wohnungsloser“.

Daraus erwächst auch am Donnerstag in Horb diese ganz eigene Stimmung, dieses Miteinander auf Augenhöhe, dieses Begegnen, das man sonst nur von der Vesperkirche kennt.

Durch die lebendigen Gespräche zieht sich der samtweiche Saxofon-Sound von Jürgern Sesterheim, der mit seiner Band „Music and Song Café“ (Christof Schülke an Gitarre und Mikrofon, Volker Schmid am Cajon und der Percussion) zum ersten Mal das Solidaritätsessen begleitet.

Das Publikum bildet ungefähr den Querschnitt der Bevölkerung ab, es scheint hier jedem egal zu sein, wer man ist, wo
man herkommt, ob man im Rollstuhl sitzt, oder kein Dach über dem Kopf hat. Hier reicht es, Mensch zu sein.

Einfach, menschlich, gut
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Erstellt:
18.10.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 39sec
zuletzt aktualisiert: 18.10.2019, 01:00 Uhr

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