Haugenstein

Emotional aufgeheizt in der Kälte

Nach wie vor frieren in der Horber Wohnsiedlung am Hohenberg rund 65 Menschen. Fürsprecher Peter Thielmann kämpft für schnelle Lösungen.

05.01.2017

Von Gerd Braun

Der Winter droht rund 65 Bewohnern im Horber Haugenstein mit eisigen Temperaturen im zweistelligen Minusbereich. Für sie kommt aus dem Heizkraftwerk (hinten im Bild) noch immer keine Wärme. Bild: Braun

Der Winter droht rund 65 Bewohnern im Horber Haugenstein mit eisigen Temperaturen im zweistelligen Minusbereich. Für sie kommt aus dem Heizkraftwerk (hinten im Bild) noch immer keine Wärme. Bild: Braun

Der Wind treibt die Schneeflocken über die Dächen und zwischen den Fassaden der 30 Wohnblocks hindurch. Das Weiß breitet sich auch auf dem Rasen immer mehr aus, und mit der Zunahme an gefallenem Schnee schreitet die Region dem ersten tiefgreifenden Temperatureinbruch entgegen. Am Wochenende droht massiver Frost, in der Nacht von Freitag auf Samstag sollen die Temperaturen laut Vorhersagen auf bis zu minus 13 Grad fallen. Für rund 65 Bewohner der Haugenstein-Siedlung eine weitere Eskalation in einer an sich schon seit Monaten angespannten Situation.

Auf diese Anzahl an Betroffenen kommt Peter Thielmann, der gewählte Fürsprecher in der Siedlung. In das Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE gestern Nachmittag steigt er mit einer Erfolgsmeldung ein: Die Stadt werde die Heizzentrale kaufen, ist er überzeugt. Dass die Stadt dies vorhat, wurde bereits berichtet, Thielmann aber legt nach. Er habe mit Vertretern der Politik auf Landes- und Bundesebene Kontakt aufgenommen, und im Stuttgarter Landtag sei der Streit um Zahlung von Nebenkosten in Horb in einer Sitzung thematisiert worden. Der Oberbürgermeister, legt Thielmann nach, sei daran, die rechtlichen Hintergründe zu prüfen.

Thielmann meldet unter der Rubrik positive Entwicklungen auch, dass inzwischen nicht mehr elf, sondern „nur“ noch sechs Häuser ohne Wärme und Warmwasser seien. 24 Wohnungen also. Für diese aber könnte sich das Prozedere um eine Lösung des Konfliktes zu weit in die Länge ziehen. Peter Thielmann kämpft für schnelle Lösungen, noch vor dem drohenden Polar-Wochenende, und schon jetzt ist die Lage prekär.

Der Konflikt um die Abrechnung, Korrektheit und Bezahlung von Nebenkosten schwelt seit Mai 2016. Beteiligt sind neben den Mietern und Eigentümern der Wohnungen der Geschäftsmann Andreas Osbelt, Inhaber der Firma Horn Energie GmbH und Co. KG und Betreiber des Heizkraftwerks in der Siedlung sowie der Hausverwaltungsfirma Engelmayr. Schon mehrfach wurde über die Angelegenheit berichtet. Es gab diverse Termine vor Gericht, Treffen am Runden Tisch, aber noch keine endgültige Lösung. Erst jetzt zeichnet sich eine solche ab, indem die Stadt Horb die Initiative ergriffen und Bereitschaft gezeigt hat, mit dem Erwerb des Heizkraftwerks, das ebenfalls auf dem Gelände steht, eine neue, für alle Beteiligten tragfähige Situation zu schaffen. Bis da alles geprüft, ausgehandelt und vollzogen ist, könnte das Themas Heizung schon wieder nebensächlich sein – will heißen: ob das noch diesen Winter etwas wird, ist ungewiss.

Auf Nachfrage bei der Stadtverwaltung Horb heißt es: Aktuell gebe es nichts Neues, der bisherige Sachstand – die SÜDWEST PRESSE berichtete am 15. Dezember exklusiv – habe nach wie vor Gültigkeit. Und dieser Sachstand ist, dass die Stadt Horb beabsichtigt, das Kraftwerk zu kaufen – nicht mehr, nicht weniger.

Drastische Folgen für Bewohner

Dieser Fortschritt freut natürlich auch Peter Thielmann. Nach den recht rasch mitgeteilten Fortschritten – dazu zählte er übrigens auch ein Fernsehbeitrag, der am Montag ab 18.45 Uhr im SWR gesendet werden soll – kommt er auf die vielen drastischen Folgen für die noch immer in der Kälte sitzenden Nachbarn zu sprechen. Er erzählt von einem Bewohner, der über Silvester wenige Tage verreist war. Als er in seine Wohnung zurück kam, habe das Thermometer neun Grad angezeigt.

Unterkühlt ins Krankenhaus

Thielmann erzählt weiter von einer älteren Bewohnerin, die inzwischen wegen Unterkühlung ins Krankenhaus gebracht worden sei. Der Sprecher berichtet von drei Frost-bedingten Wasserrohrbrüchen in der Siedlung. Viel mehr noch könnte er wohl zum Thema Schäden an den Häusern erzählen, bremst sich aber nach einer Geschichte über eine Wohnung, in der sich wegen des Schwitzwassers bereits die Tapeten von den Wänden gelöst haben und einer anderen, aus der eine junge Familie wegen der Schimmelbildung vorsorglich vorübergehend ausgezogen ist, selbst.

Peter Thielmann könnte wohl mindestens ein Buch schreiben über die Eskalation des Konfliktes, der durch diese Affäre um Nebenkosten erst so richtig zutage getreten ist. 40 Anzeigen wegen Körperverletzung seien bereits gegen den Kraftwerksbetreiber gestellt worden. Kein Wunder: Viele Menschen, die in den unterkühlten Wohnung leben, sind krank. Er hofft, dass nicht noch anders geartete folgen, droht aber mit weiteren Konsequenzen, wenn am kommenden Wochenende jemand noch größeren Schaden erleidet. Thielmann, wissend um die Lage vor Ort, schließt da fast gar nichts aus – selbst dass jemand an Unterkühlung sterben könnte.

Die Redaktion versuchte gestern auch noch, Andreas Osbelt zu erreichen. Zu fragen, ob er nicht angesichts der nahenden Kaltfront zumindest für die heftigste Phase den betroffenen Menschen wieder Wärme liefern könnte. Bedauerlicherweise war er nicht zu erreichen.

Erreichen möchte dies Peter Thielmann – auch auf gerichtlichem Weg. Über eine richterliche Anordnung erhofft er sich für seine Nachbarn zumindest einen vorläufigen Durchbruch. Thielmanns Wohnung selbst ist beheizt, aber als gewählter Fürsprecher aller Bewohner der Haugenstein-Siedlung versichert er: „Ich lasse die Leute nicht im Stich“.