Mit Engelszungen

Emotionen statt Argumente – eine symptomatische Debatte

Die Auseinandersetzung um die fünf geplanten Windräder auf dem Hohfleck wurde mit harten Bandagen geführt. Teilweise sei dabei die Sachlichkeit auf der Strecke geblieben, sagt der Sonnenbühler Bürgermeister Uwe Morgenstern.

02.12.2016

Von Matthias Reichert

Protestbriefmarke gegen Windräder an Schloss Lichtenstein.

Protestbriefmarke gegen Windräder an Schloss Lichtenstein.

Ein Privatmann zweifelte etwa mit eigenen Messungen auf dem Rossbergturm vehement die Windgeschwindigkeiten an, welche die Firma Sowitec mit einem 140 Meter hohen Mess-Mast über zwei Jahre für den Hohfleck ermittelt hatte.

Der Streit wurde nicht zuletzt über Bilder geführt – mit teils verzerrten Darstellungen (siehe die Briefmarke unten, mit der die örtliche Interessengemeinschaft gegen den Windpark getrommelt hat). Wobei sich die Visualisierungen pro und contra laut Morgenstern zuletzt angenähert haben. Wer die obige Fotomontage sieht, fragt sich freilich schon, ob die Windräder wirklich dem Schloss so arg auf die Pelle gerückt wären, wie es das Landesdenkmalamt und mit ihm das Reutlinger Landratsamt eingeschätzt haben. Der Landkreis hat eigens den Metzinger Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier die Sichtbezüge untersuchen lassen. Dieser zog, wie berichtet, Skizzenbücher des Architekten Carl Alexander Heideloff heran, der das Schloss 1840 bis 1842 erbaute. Bidlingmaier urteilte, die Perspektiven auf das Schloss seien Teile der historischen Konzeption. Mit den Skizzen wies er nach, dass die Sichtachsen über den Locherstein und Holzelfingen vom Baumeister gewollt waren. Heideloff sei die Strecke damals abgelaufen und habe den Standort des Schlosses entsprechend gewählt.

Wie dem auch sei – Kritiker sagen zurecht, dass die Energiewende nicht gelingen wird, wenn jede/r nach dem St.-Florians-Prinzip sämtliche Standorte befürwortet, nur nicht den- oder diejenigen vor der eigenen Haustür. Man wird sehen, ob die Firma Sowitec Widerspruch gegen die Ablehnung des Landkreises einlegt und womöglich vors Sigmaringer Verwaltungsgericht zieht. Künftige Generationen, die noch ganz anders als wir unterm Klimawandel leiden werden, könnten es den Planern danken, wenn sie jetzt nicht aufgeben.

Eins ist aber jetzt schon sicher: Der Streit um die Windräder hinter Schloss Lichtenstein hat ungewöhnliche Ausmaße angenommen. Ausmaße, die symptomatisch sind für Meinungsbildung im Internet-Zeitalter: eine Meinungsbildung, bei der es weniger auf sachliche Argumente als auf das virtuose Spiel mit den Emotionen ankommt.