Nur der Doppelschlag fällt weg

Emotionsgeladene Debatte im Pfarrgemeinderat über den nächtlichen Glockenschlag

Mit einem kleinen Teilerfolg endete für die Antragsteller die Abstimmung hinter verschlossenen Türen im 26-köpfigen katholischen Pfarrgemeinderat.

28.11.2015

Von Reinhard Seidel

Alter Kirchturm in neuem Glanz, bedeckt mit dem ersten Schnee des Winters. Seine Glocken werden künftig die volle Stunde nur einmal anschlagen. Bild: wbr

Alter Kirchturm in neuem Glanz, bedeckt mit dem ersten Schnee des Winters. Seine Glocken werden künftig die volle Stunde nur einmal anschlagen. Bild: wbr

Nach ungefähr zehn Minuten, so gestern die Vorsitzende Ulrike Brendle aus Dettensee, am Telefon, habe man am Donnerstag „fast einstimmig“ beschlossen, in Empfingen den Doppelschlag zur vollen Stunde abzuschalten, die Viertelstundenschläge jedoch nicht. Auch im Sinne der Seelsorgeeinheit, denn in keiner der sieben Pfarreien existiert der doppelte Schlag zur vollen Stunde. Wilfried Brenner, der Sprecher der Antragsteller meinte gestern: „Mit dem Ergebnis bin ich nicht zufrieden.“

Nachdem Ulrike Brendle den Antrag (siehe oben) dem Gremium in der Georgstube Wort für Wort vorgelesen hatte, gab sie bekannt, dass sie diesen dem Rat schon in der letzten Sitzung nichtöffentlich zur Kenntnis gegeben habe.

Im Vorfeld des Antrags habe es in verschiedenen Konstellationen Gespräche gegeben. Heidi Molitor, die schon vor gut fünf Jahren als Rätin einen ähnlichen Antrag gestellt hatte, sei damals aufgefordert worden, diesen in zwei Jahren nochmals zu stellen (vor fünf Jahren war eine Nachtabschaltung technisch nicht möglich, Anm. d. Red.). Brendle wollte im Vorfeld von Molitor wissen, warum sie dies nicht getan habe. Sie hätte das vergessen, habe die Antwort gelautet.

Brendle räumte Wilfried Brenner ein fünfminütiges Rederecht ein. Er teilte ein Schaublatt aus, das belegte, dass der Hammer der Kirchenglocke täglich 552 mal schlägt, um die Uhrzeit anzuzeigen. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr 152 mal. Nach dem Kompromissvorschlag würde die Glocke nachts nur noch 38 Mal schlagen. Er bat die Räte sich vorzustellen, dass nachts im Schlafzimmer jemand auf eine Glocke haue. Da sei an keinen geruhsamen Schlaf zu denken.

Brenner gab auch zu, dass die Unterzeichner ursprünglich den Glockenschlag nachts komplett abstellen wollten. Um jedoch Aussicht auf Erfolg zu haben, habe man nur die Reduzierung beantragt. „Wir behalten uns jedoch vor“, dass bei einer möglichen Überschreitung des Lärmrichtwertes, der nachts bei 65 Dezibel liegt, „auch noch einen Antrag auf komplette Nachtabschaltung zu stellen.“ Brenner sah auch eine Parallele zur von den Behörden genehmigten Reduzierung der Geschwindigkeit in der Ortsdurchfahrt aus Lärmschutzgründen. Er bat die Pfarrgemeinderäte um „dieselbe Rücksichtname für Anlieger der Kirche“.

Ulrike Brendle bat nun die einzelnen Mitglieder des Gremiums, um kurze Stellungnahmen. Den Reigen eröffneten die drei Empfinger Räte. Beatrix Söll-Bossenmaier betonte: „Ich wohne genauso nahe an der Kirche. Wenn ich schlafe höre ich (den Glockenschlag) nicht, wenn ich wach bin, freue ich mich darüber. Er würde mir fehlen. Die Kirche war vor mir da. Im Sommer habe ich das Fenster auch auf und da höre ich auch die Autobahn. Für mich ist es (der Schlag) nicht störend.“

Emotional reagierte Elmar Brendle. „Für mich gibt es keinen Kompromiss. Entweder komplett oder gar nicht abschalten. Ein bissle abschalten geht gar nicht. Ob wir komplett abschalten wollen, weiß ich nicht. Mich würde die Meinung der Gesamtöffentlichkeit interessieren.“ Später ergänzte Brendle noch: „Was bringt eine Reduzierung. Der Kirchturm schlägt trotzdem. Wenn ich wach bin, bin ich wach.“

Für Rita Walter sei es wichtig, sich im Ort umzuhören. Sie habe Negatives gehört, etwa vorwurfsvolle Fragen wie „Schafft ihr jetzt alles ab? Darf der Kirchturm nicht mehr schlagen?“ Walter erklärte: „Ich habe aber auch Verständnis für die Antragsteller. Ich könnte mit der Situation leben, dass der Kirchturm (um Mitternacht) nur 12, anstatt 24 Mal schlägt“, also der Doppelschlag abgeschafft wird. Bei einer Komplettabschaltung, so Walter „würden wir noch mehr Hiebe bekommen“.

Die Räte aus den übrigen sieben Pfarreien der Seelsorgeeinheit Empfingen-Dießener Tal sprachen sich in ihren Statements mehrheitlich für einen irgendwie auch gearteten Kompromiss aus. Für eine komplette Abschaltung sprach sich niemand aus. Rüdiger Albrecht, der stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderats aus Dettingen meinte: „Im Sinne der Demokratie ist es das Vernünftigste, wenn es auf einen Kompromiss hinausläuft.“ Gabriele Hellstern aus Betra sah in einer Entscheidung in Empfingen auch eine „Sogwirkung“ auf die anderen Pfarreien. Es kamen auch ironische Beiträge wie „Ohropax verteilen“ von Christa Kummer aus Glatt. Jutta Wörner aus Dettensee kritisierte den früheren Empfinger Vorsitzenden Wilfried Brenner, dafür, dass er den Antrag erst jetzt gestellt habe.

Dieser Kritik und der Meinung von Elmar Brendle schloss sich die Vorsitzende Ulrike Brendle an. Der Glockenschlag sei Tradition und für viele von großer Bedeutung. „Ich habe mit vielen gesprochen. Alle Empfinger waren dafür, dass es bleibt, wie es ist.“

Dekan Alexander Halter stellte klar: „Ich werde keine Stellungnahme abgeben. Ich sehe das leidenschaftslos. Pfarrer kommen und gehen. Glocken und Menschen bleiben.“ Er erinnert sich noch an den Antrag im September 2010. Zunächst war die Antragsstellerin nicht bekannt, da habe es im Vorfeld geheißen: Der neue Pfarrer oder Kaplan Christian Nötzel wollten die Glocke abschalten. „Das hat mich unwahrscheinlich geärgert.“

Ulrike Brendle verteidigte gestern am Telefon die Beschlussfassung hinter verschlossenen Türen, obwohl öffentlich die Räte zum Teil deutlich ihre Meinung gesagt hatten. In der vorangegangenen Sitzung sei dieses Vorgehen so beschlossen worden. Viele Räte hätten dies gewünscht, um sich vor der Abstimmung noch intern äußern zu können.